Artikel teilen:

Hass gegen Homosexuelle als politische Währung in Ghana

„Der Mist ist einfach nicht totzukriegen!“, sagt Martin und legt die Stirn in Falten. Der Ausruf bringt auf den Punkt, was viele queere Menschen in Ghana seit Jahren erleben: Das „Human Sexual Rights and Family Values Bill“, wie der Entwurf für ein Anti-Homosexuellen-Gesetz offiziell heißt, kehrt trotz internationaler Kritik und verfassungsrechtlicher Bedenken immer wieder auf die politische Bühne zurück. Auch jetzt wieder.

Deswegen bevorzugt Martin es, nicht mit seinem echtem Namen genannt zu werden. „Selbst meine Eltern wissen nichts von meinem Coming-out“, sagt er. Und das solle auch so bleiben. Denn geht es nach den Vorstellungen von Ghanas führenden Politikern, wird künftig auch die „Unterstützung von Homosexualität“ strafbar sein. Was darunter fällt, ist weit gefasst: Das Verbreiten von aufklärendem Wissen, die Vermietung von Immobilien an Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans-Personen (LGBT) oder das Eintreten für die Rechte queerer Menschen könnten bald mehrjährige Haftstrafen zur Folge haben. Gespräche mit Journalisten gehören auch dazu.

Erstmals 2021 ins Parlament eingebracht, dann jedoch mehrfach vertagt, wurde 2024 schließlich ein Gesetz verabschiedet, das queeres Leben und jegliche Form der Unterstützung strafbar machen sollte. Ex-Präsident Nana Akufo-Addo aber zögerte die notwendige Unterzeichnung monatelang hinaus. So lange, bis er im Januar 2025 das Amt an John Dramani Mahama übergab.

„Eine Aufschiebe-Strategie, um eine unangenehme Entscheidung zu vermeiden“, vermutet der Anwalt Solomon Joskine Kwashie Atsuvia. Er arbeitet bei Jurisvera, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für queere Rechte und Forschung einsetzt.

In Uganda, wo seit 2023 ein ähnlich scharfes Gesetz gilt, führte dies dazu, dass wichtige Geldgeber wie die Weltbank die Vergabe neuer Kredite aussetzten. Für Ghana, das sich seit 2022 nur sehr mühsam aus einer schweren Wirtschaftskrise herausarbeitet, wäre dies ein Desaster, sind sich Analysten einig. Die Vermutung liege nahe, dass Akufo-Addo ein solches Szenario vermeiden wollte, schätzt Atsuvia.

Mit dem Wechsel an der Staatsspitze liegt es nun an Neu-Präsident Mahama und dem neu gewählten Parlament, ob erneut ein Anlauf gestartet wird. Im Januar wagte Mahama, kaum im Amt, einen anderen Vorstoß: Es brauche kein Gesetz, homophobe Werte könnten auch in der Schule unterrichtet werden. Gleicher Effekt, nur ohne lästige Sanktionen, so die Überlegung. Dennoch brachte im März eine Gruppe von Abgeordneten erneut ein Anti-Homosexuellen-Gesetz ins Parlament ein.

„Interessant ist, welche Partei diesmal den Vorstoß gemacht hat“, sagt Atsuvia. Während zu Regierungszeiten der NPP die Mehrheit der Gesetzesunterstützer der damaligen Oppositionspartei NDC angehörten, sei das Verhältnis nun umgekehrt. Die oppositionelle NPP führe das Thema gegen die NDC-Regierung ins Feld, mit einem nahezu identischen Gesetzestext.

„Inhaltlich hat sich kaum etwas verändert“, sagt der Jurist. Stattdessen zeige dies, dass Homophobie eine politische Währung geworden sei – ein wirksames Mittel, um sich als Opposition zu profilieren. „Die NDC, die nun regiert, hat im Wahlkampf stark vom Gesetz profitiert und es genutzt, um ihre politische Basis zu mobilisieren“, erklärt Atsuvia.

Martin bereiten diese Neuigkeiten Kopfschmerzen: „Sollte es in Kraft treten, könnten auch meine Eltern in Schwierigkeiten geraten, allein dafür, dass sie mich unterstützen“, sagt er. „Das Gesetz betrifft alle.“ Um auf die Gefahren aufmerksam zu machen, startete eine Koalition von ghanaischen Menschenrechtsorganisationen bereits im Dezember 2024 eine Kampagne: Ego Reach We All. Der Ausdruck aus dem ghanaischen Pidgin-Englisch bedeutet sinngemäß „Es wird uns alle betreffen“.

Riesige Plakate mit dem Schriftzug hängen seither in Ghanas Hauptstadt Accra und fordern die Bevölkerung auf, sich zu informieren. Denn das Gesetz nimmt nicht nur queere Menschen ins Visier, sondern auch jegliche Form von politischem Engagement, Pressefreiheit und Meinungsvielfalt. Die „Koalition für Menschenrechte“ warnt, ein Gesetz mit solchen Einschränkungen könne schnell als gesellschaftliches Kontrollinstrument missbraucht werden.