Wer keine Angehörigen oder aber einen großen Nachlass hat, möchte beim Vererben oft Freunde oder andere nahestehende Menschen bedenken. Aufgrund des fehlenden Verwandtschaftsgrades können dann aber hohe Erbschaftssteuern anfallen. Die Initiative „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum“ wirbt seit fünf Jahren für das gemeinnützige Vererben als steuerfreie Alternative. Im Interview mit Angelika Prauß erläutert Susanne Anger, die Sprecherin der Initiative, die Hintergründe.
Frau Anger, wie kam es dazu, dass vor fünf Jahren Ihre Initiative gegründet wurde?
Das gemeinnützige Vererben ist eine sehr alte Idee, die schon die Fugger im 16. Jahrhundert praktiziert haben. Daran knüpfen wir an. Menschen spenden auch heute gerne. Es kann jedoch dreist wirken, wenn ich Spender plump fragen würde: „Können wir vielleicht auch noch etwas von Ihrem Erbe haben?“ Da könnte das Anliegen schnell falsch aufgefasst werden.
In anderen Ländern gab es schon länger gemeinschaftliche Initiativen oder Kampagnen von unterschiedlichen Organisationen und Stiftungen für das gemeinnützige Vererben. In der Schweiz etwa „MyHappyEnd“, in Österreich „Vergissmeinnicht“. Wir wollten, unterstützt von verschiedenen Organisationen und Stiftungen, für Deutschland etwas Ähnliches ins Rollen bringen. Wir haben klein angefangen, mit einer Handvoll Organisationen im Boot, heute sind 23 Organisationen und Stiftungen bei uns dabei.
Die Ausgangslage scheint dafür sehr gut, in naher Zukunft wird sehr viel vererbt…
Bis 2024 sind das laut Deutschem Institut für Altersvorsorge 3,1 Billionen Euro. Wir haben das große Glück in Deutschland, dass wir eine sehr lange Periode von Frieden und Wohlstand genießen durften. So konnte viel Vermögen gebildet werden. Wir haben 2015 eine repräsentative Um-frage gemacht, um zu wissen, wie viele Menschen sich gemeinnütziges Vererben überhaupt vorstel-len können. Das Ergebnis: Jeder Zehnte konnte das, bei den Kinderlosen sogar jeder Dritte.
Viele Menschen möchten gerne etwas für den guten Zweck vererben. Dabei steht meistens an erster Stelle, dass ihre Werte Bestand haben sollen, sie diese weitergeben möchten. Danach folgen religiöse und steuerliche Gründe. Die Organisationen und Stiftungen freuen sich natürlich, wenn sie bedacht werden. Denn für sie stellen Erbschaften sehr wertvolle Zuwendungen für die langfristige Sicherung ihrer Arbeit dar.
Und es rechnet sich, weil gemeinnützige Verbände keine Erbschaftssteuer zahlen müssen. Vielen möglichen Erblassern ist das gar nicht bekannt…
Auch diese Information möchten wir in die Öffentlichkeit tragen. Gemeinnützige Organisationen und Stiftungen sind komplett von der Erbschaftssteuer befreit – egal, wie hoch das Erbe ist.
Wenn ich keine gesetzlichen Erben habe und Freunde oder Bekannte bedenke, werden diese teils mit hohen Erbschaftssteuern belastet. Da sagen sich viele: Dann vererbe ich doch lieber alles einer Organisation, die mir schon zu Lebzeiten wichtig war.
Ihre Initiative hat „Das Prinzip Apfelbaum“ im Untertitel. Was hat es damit auf sich?
Ein gemeinnütziges Erbe ist wie ein Apfelbaum. Wenn ich mein Erbe oder einen Teil davon einem guten Zweck vermache, dann trägt es weit über mein eigenes Leben hinaus Früchte und dient dem Guten – immer wieder.
Wenn keine Erben da sind, könnte man doch alles verjubeln. Für manche scheint das aber keine gute Alternative zu sein …
Hier zeigt sich eine typisch deutsche Haltung: Wir sparen gerne und legen sicherheitshalber auch etwas für schlechte Zeiten beiseite, die vielleicht gar nicht kommen. Viele alleinstehende Men-schen möchten beispielsweise für einen möglichen Pflegebedarf Geld zurücklegen. Verjubeln geht dann nicht, weil sie das Geld ja noch brauchen könnten.
Manchem widerstrebt aber auch der Gedanke, sein Vermögen, für das er oder sie hart gearbeitet hat, nun einfach auf den Kopf zu hauen. Gemeinnützig zu vererben ist meist Ausdruck einer tiefen inneren Haltung: Menschen möchten oft etwas von dem Guten, was ihnen selbst im Leben widerfahren ist, an die Gesellschaft zurückgeben. Damit fühlen sie sich gut, mit den eigenen Werten im Reinen! In der Glücksforschung ist festgestellt worden: Wenn ich mir etwa ein Paar Schuhe kaufe, dann freue ich mich natürlich. Aber mein Glücksgefühl hält viel länger an, wenn ich etwas Gutes tue, etwas schenke. Insofern tue ich auch etwas für mein eigenes Wohlbefinden, wenn ich einer Organisation oder Stiftung etwas vermache.
Ihre Initiative vertritt 23 gemeinnützige Nichtregierungsorganisationen und Stiftungen. Nach welchen Kriterien haben Sie diese ausgewählt?
Wir wollten Organisationen aus den unterschiedlichsten Bereichen ansprechen, die Menschen wichtig sind: Umwelt- und Tierschutz, Sorge für Kinder, Hilfe bei Krankheiten, Wohlfahrtspflege, Rettungswesen bis hin zu Forschung sowie humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Wir bilden damit ein breites Spektrum möglicher guter Zwecke ab. Immer mehr Organisationen haben sich im Lauf der Zeit bei uns gemeldet, weil sie sich der Gemeinschaftsinitiative anschließen wollten.