Die documenta 15 wurde wegen judenfeindlicher Darstellungen kritisiert. Nun wurde die renommierte Guggenheim-Kuratorin Naomi Beckwith als neue künstlerische Leiterin für die documenta 16 im Jahr 2027 vorgestellt.
Die künstlerische Leitung der nächsten Weltkunstausstellung documenta in Kassel steht fest: Die am New Yorker Guggenheim-Museum tätige Kunsthistorikerin Naomi Beckwith wird die documenta 16 im Jahr 2027 kuratieren und damit konzeptionell prägen, wie documenta-Geschäftsführer Andreas Hoffmann am Mittwoch in Kassel bekanntgab. Die 48-jährige US-Amerikanerin ist stellvertretende Direktorin und Chefkuratorin am Guggenheim Museum.
Die documenta 16 findet vom 12. Juni bis 19. September 2027 statt. Zur Frage der Finanzierung sagte Hoffmann, geplant werde wie bei der documenta 15 mit einem Gesamtbudget von 42,2 Millionen Euro. Die zurückliegende documenta war wegen antisemitischer Darstellungen und wegen des Umgangs der Kuratoren damit stark kritisiert worden.
Beckwith selbst sagte, die Frage sei, was Kunst heute in einer Welt der Unsicherheit leisten könne, um “Krisen zu durchleben”. Denn Künstler seien Meister der Improvisation. Und die documenta sei “eine Institution, die der ganzen Welt und genauso auch Kassel gehört”. Mit Blick auf die zurückliegende documenta sagte Beckwith: “Ich habe keine Toleranz für jegliche Form von Rassismus oder Antisemitismus.”
Die 15. Ausgabe der alle fünf Jahre stattfindenden Kunstschau wurde vom indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa kuratiert und dauerte vom 18. Juni bis 25. September 2022. Für einen Skandal sorgte die Präsentation des Banners “People’s Justice” des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi mit antisemitischen Darstellungen. Das Werk zeigte unter anderem einen mit Davidstern dargestellten Soldaten mit Schweinsgesicht, der einen Helm mit der Aufschrift “Mossad” trug – dem Namen des israelischen Auslandsgeheimdienstes.
Der Aufsichtsratsvorsitzende der documenta und Museum Fridericianum gGmbH, Oberbürgermeister Sven Schoeller (Grüne), sagte am Mittwoch, die seit 1955 bestehende documenta habe sich “in einer ihrer schwersten Krisen” befunden und sei von nicht wenigen Personen totgesagt worden. Dem hielt er entgegen: “Die kreative Kraft dieser Ausstellung ist ungebrochen.” Die documenta in Kassel sei und bleibe “der Ort, an dem die dringenden gesellschaftlichen Themen der Gegenwart im Licht künstlerischer Formensprache besprochen werden”.
Schoeller betonte, dem neuen Verhaltenskodex der documenta liege “das Bekenntnis zur Achtung der Menschenwürde” zugrunde, “eine humanistische Weltsicht”, die Grundlage für die Gewährleistung künstlerischer Freiheit sei und “Schutz vor gruppenbezogener, menschenfeindlicher Diskriminierung” biete. Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und hessische Kulturminister Timon Gremmels (SPD) sagte, die documenta zeige “zeitgenössische Kunst mit globalem Anspruch”. Er fügte hinzu: “Die documenta lebt!”
Im Zuge des Antisemitismusskandals hatte sich bei der documenta das Personalkarussell gedreht, eine Organisationsreform wurde eingeleitet. Der Kulturmanager Andreas Hoffmann amtiert seit Mai 2023 als Geschäftsführer – nach zwei Interimsgeschäftsführern in Folge. Ferdinand von Saint Andre und Alexander Farenholtz hatten nach dem Rückzug der documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann die Geschäfte übergangsweise übernommen.
Beckwith, die von Schoeller als eine “erstklassige Wahl” bezeichnet wurde, ist von einer Findungskommission ausgewählt worden. In dieser sitzen sechs internationale Experten und Expertinnen für zeitgenössische Kunst: Yilmaz Dziewior, Sergio Edelsztein, N’Goné Fall, Gridthiya Gaweewong, Mami Kataoka und Yasmil Raymond.
Die ursprüngliche Findungskommission für die nächste Weltkunstausstellung im Jahr 2027 war im November 2023 komplett zurückgetreten – unter dem “Eindruck der Terrorattacken der Hamas am 7. Oktober und dem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland sowie den polarisierten Debatten darum”, wie es damals zur Begründung hieß. Die neue war erst im Sommer 2024 berufen worden.