„Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“: Dieses Bonmot ist nicht nur Literaturkennern vertraut. Der kleine Prinz, der die weisen Worte spricht, hat mit seiner Geschichte über Freundschaft und Vertrauen schon Generationen von Menschen verzaubert. Erst vor drei Jahren brachte ein animierter 3D-Film das Geschehen wieder einmal in die Kinos. Die literarische Vorlage erschien vor 75 Jahren – und bleibt zeitlos.
Antoine de Saint-Exupéry, geboren 1900, war französischer Berufspilot und Schriftsteller. Er kehrte von einer Reise zu seinem amerikanischen Verleger zurück, als im September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach. Er wurde eingezogen und war zunächst als Ausbilder, später bei Aufklärungsflügen tätig. In dieser Funktion erlebte er den Blitzangriff der Deutschen auf Nordostfrankreich mit. Ende 1940 reiste er erneut nach New York und verarbeitete die Kriegserlebnisse in „Pilote de guerre“ (1942) – einem Buch, das die Deutschen bald auf den Index setzen sollten.
Am 6. April 1943 veröffentlichte der US-Verlag Reynal & Hitchcock die Erzählung „Der kleine Prinz“ zeitgleich auf Englisch und Französisch. Der französische Verlag Gallimard, bei dem Saint-Exupéry unter Vertrag stand, klagte – und verlegte zwei Jahre später, nach dem Tod des Autors, eine erste Auflage für Frankreich. 1950 erschien die erste deutsche Übersetzung. Inzwischen wurde das Buch in 180 Sprachen übersetzt. Mit rund 100 Millionen Exemplaren gehört es zu den meistverkauften nichtreligiösen Werken der Weltliteratur.
Autobiographische Spuren des Autors
Der Text enthält autobiographische Spuren des Autors. Der Erzähler, der der Titelfigur nach einer Notlandung in der Sahara begegnet, ist selbst Pilot. Der kleine Prinz unterdessen sehnt sich nach seiner Rose, die er zu spät als solche erkannt hat – ein Symbol für Saint-Exupérys Frau, die er in Frankreich zurückgelassen hatte. Insgesamt wurde das Buch als Kritik an Egoismus und Konsumstreben gelesen – und als Plädoyer für Phantasie, für das Festhalten an Mitmenschlichkeit und dem kindlich-unverstellten Blick auf die Welt.
Die philosophischen Alltagsbetrachtungen des kleinen Prinzen werden so oft in christlichen Gottesdiensten zitiert, dass sie schon als „fünftes Evangelium“ bespöttelt wurden. Teils gab es auch Kritik daran, dass insbesondere zu Anlässen wie Hochzeiten oder Taufen, wo auch viele kirchenferne Menschen teilnehmen, zu viel aus dem „Kleinen Prinzen“ oder anderen weltlichen Texten zitiert werde.
Dem gegenüber stehen Zeitgenossen, die das Werk immer wieder neu zu durchdringen versuchen. Der französische Autor Emile Vigneron zum Beispiel, der 2014 eine Fortsetzung des Weltbestsellers veröffentlichte. Oder der Vatikan-Experte Enzo Romeo, der den Stoff 2015 neu ins Italienische übersetzte und mit Kommentaren zu biblischen Bezügen versah. 2014 begegnete der blonde Junge im grünen Mantel in der Görlitzer Weihnachtskrippe sogar der Heiligen Familie. Der kleine Prinz habe das Fragen gelernt, und das Suchen sei ihm keineswegs fremd, erklärten die Initiatoren: Hier suche er das Jesuskind.
Neugierig bleiben, das Sehen und Fragen immer wieder neu lernen: In der heutigen, oft als hektisch und reizüberflutet beschriebenen Zeit streben danach viele Menschen. Manche Aussagen des kleinen Prinzen scheinen zukunftsweisender denn je, zum Beispiel: „Wenn man seine Morgentoilette beendet hat, muss man sich ebenso sorgfältig an die Toilette des Planeten machen.“ Inzwischen ist der kleine Prinz der Star eines eigenen Themenparks im Elsass, ein Asteroid ist nach seinem Heimatstern benannt, Theater und Museen widmen sich dem Stoff.