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Gottes freundliches Angesicht

Über den Predigttext zum Sonntag Trinitatis: 4. Mose 6,22-27

Predigttext
22 Und der Herr redete mit Mose und sprach: 23 Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet: 24 Der Herr segne dich und behüte dich; 25 der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; 26 der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. 27 So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.

Endlich geschafft…. Endlich ist der Gottesdienst vorbei… Ab nach Hause…“. Solche Gedanken hatte ich oft als Konfirmand immer dann, wenn die Bitte um den Segen am Ende des Gottesdienstes gesprochen wurde:
Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

Endlich von der Kirchenbank aufstehen, Geld für die Ausgangskollekte aus der Hosentasche kramen und dann raus. Geschafft! So empfand ich es. Und das, obwohl es nicht unbedingt ein langweiliger Gottesdienst gewesen sein musste.
Das Grundproblem: Ich hatte überhaupt keinen Bezug zum eigentlichen Inhalt des Gottesdienstes. Insbesondere nicht zu altertümlichen, formelhaften Worten. Und überhaupt war mir vieles unklar, was Christinnen und Christen am Sonntagvormittag so veranstalten…

Wer war eigentlich Gott für mich, der HERR, der mich da segnen und behüten sollte? Davon hatte ich eine sehr diffuse Vorstellung.

Es hat in meinem Leben etwas gedauert, bis mir so einiges aufging. Der christliche Glaube gewann Gestalt. Und das lag vor allem an Menschen. Menschen, die etwas mit Gott anfangen konnten. Menschen, denen ich abnahm, was sie glaubten. Menschen, die nicht verkniffen waren, sondern dem Leben fröhlich zugewandt.

Das Angesicht Gottes wurde für mich immer mehr erkennbar in Kontakten und wachsenden Beziehungen, die Menschen aus der Gemeinde mit mir unterhalten wollten. Einfach so. Und weil Jesus gesagt hatte: „Darum gehet hin…: Ich bin bei euch alle Tage…“.

In dieser Woche sind die alten Worte des aaronitischen Segens Predigttext. Ob sie in Corona-Zeiten überall herangezogen werden? Schön wäre es. Denn hier werden wir in Beziehung zu jemandem gesetzt in einer Zeit, in der Beziehungen anders als üblich zum Ausdruck kommen müssen. Die neue Nähe in Corona-Zeiten scheint Distanz zu sein.

In Bezug auf Gott können wir – glaube ich – dank Jesus aus gutem Grund festhalten: ER wird niemals auf Distanz gehen.

Die uralte Segensformel drückt aus: Da wünscht mir jemand den Segen desjenigen, der immer schon in Beziehung sein will – und dabei ganz nah ist. Sehr oft unbemerkt. In seiner Schöpfung. Bei den Menschen seines Wohlgefallens. Das ist der Gott Israels. Der Gott, der mit seinem Namen das Programm anzeigt, für das er steht und einsteht: Ich bin da. Für die Welt. Und ganz besonders auch für dich ganz persönlich.

Mose hat das erkannt. Weit davor schon Abraham, sowie alle Väter und Mütter des Glaubens, die sich auf den Gott Israels berufen. Ebenso Aaron aus dem israelitischen Priestergeschlecht. Durch Offenbarung. Aber eben auch durch menschliche Begegnungen und Beziehungen, die von der Wirkmächtigkeit Gottes zeugen. Dank Jesus werden auch wir mit diesem Gott Israels in Beziehung gesetzt. Als Kinder zu ihrem himmlischen Vater. Eine Liebesbeziehung, die trägt und hält. Obwohl da manchmal unsererseits vieles im Argen liegt.

Ich bin dafür dankbar. Irgendwie auch demütig. Das Angesicht Gottes können wir in Jesus sehen. In Jesus hat Gott deutlich gemacht „Ich bin da als Mensch, als dein persönlicher Gott. Ich kenne alles: Höhen wie Tiefen. Du kannst dich mir anvertrauen.“

Das können wir in der Bibel nachlesen. Das können uns freundlich zugewandte Menschen nahebringen. In Wort. Und in der Tat. Ich bin davon überzeugt: Wo wir das erfahren, können auch wir nicht anders, als mit unserem Leben für andere bitten: Der HERR segne dich und behüte dich …

„Endlich geschafft…. Endlich ist der Gottesdienst vorbei… Ab nach Hause…“. Leider werden sicher nicht wenige meiner heutigen Konfirmandinnen und Konfirmanden das immer noch so denken, wie ich früher.

Manchmal liegt das sicher an der Form unserer Gottesdienste. Aber wohl eigentlich daran, dass es eben Zeit braucht: Zeit für echte und wertschätzende Beziehungen, damit Menschen das freundliche Angesicht Gottes spüren und erfahren können. Corona fordert uns heraus, Beziehungen einzugehen und zu pflegen.

Es braucht jedenfalls Menschen in den Gemeinden, die sich den Segen des HERRN immer wieder neu zusagen lassen und dann zum Segen werden können. Menschen, die sich im Namen des HERRN senden lassen. Für andere da sind. Zuhören. Beten. All das tun, damit der Frieden Gottes (mit)geteilt wird.