Es klingelt. Ein Dachdecker bietet der alleinstehenden Seniorin an, sofort und preiswert ihre Dachrinne von Laub zu reinigen. Sie willigt ein; wenig später ist der Mann auf dem Dach zugange – und stellt fest, dass die Dachziegel des in die Jahre gekommenen Hauses porös seien. Doch sie habe Glück, er könne die Ziegel mit einem neuen Verfahren „versiegeln“. Weil die Frau den vierstelligen „Schnäppchenpreis“ nicht zahlen möchte, zieht der Mann ab. Wie sich herausstellt, ist er der zuständigen Innung unbekannt; ein zurate gezogener Dachdeckermeister erklärt gar den Unsinn einer Versiegelung von Ziegeln. – Zu Recht warnen Verbraucherzentralen und Polizei immer wieder vor zu viel Gutgläubigkeit bei Haustürgeschäften.
Da gibt es den Staubsaugervertreter, der einem gegen Bargeld hochpreisiges und unnötiges Zubehör aufschwatzt. Da ist der „hilfsbereite“ Fremde, der einem die schweren Einkaufstüten in die Wohnung trägt und nebenbei die Geldbörse mitgehen lässt. Da klingeln freundliche „Polizisten“, die einem behilflich sein möchten, Wertsachen noch sicherer zu verstecken. Oder die freundliche Dame, die der Nachbarin eine Nachricht hinterlassen möchte und um Zettel und Stift bittet; ist erst die Tür geöffnet, huscht eine zweite Person in die Wohnung und klaut. Gauner lassen sich viele Maschen einfallen, um in die vier Wände vorzudringen.
Dabei kann sich jeder vor Haustürbetrügern schützen. So rät die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes in ihrer Broschüre „Sicher zu Hause“, nie Unbekannte und unangemeldete Handwerker in die Wohnung zu lassen. Von vermeintlichen Amtspersonen sollte immer der Dienstausweis überprüft werden. Auch Türverriegelungen verhinderten einen ungewollten Zugang zur Wohnung. Rechnungen sollten nie bar bezahlt, sondern per Überweisung beglichen werden.
Senioren fit machen gegen betrügerische Haustürgeschäfte – das wollen auch die ehrenamtlichen „Verbraucherscouts“ der Verbraucherzentrale NRW. „Wir wollen für das Thema sensibilisieren und den Schämfaktor aufweichen, wenn man Opfer eines Betruges wurde“, erklärt Sigrid Backmann. Geschäfte an der Haustür seien überhaupt nicht notwendig, „das muss man den Leuten einbläuen“, so die Verbraucher-schützerin. „Haustürgeschäfte sind behaftet mit Überrumpelung und wenig Vergleichsmöglichkeiten.“
Auch demente Menschen können leicht Opfer werden. „Wenn der Senior an der Haustür nicht einen total verwirrten Eindruck macht, der das Geschäft als sittenwidrig erscheinen lässt, und wenn er nicht unter Betreuung steht, dann ist er ganz normal geschäftsfähig – unabhängig vom Sinn des Einkaufs“, erklärt Backmann. In der Regel gebe es bei Haustürgeschäften eine 14-tägige Widerrufsfrist; auf die müsse der Verkäufer hinweisen. Unterlasse er dies, gelte eine Widerrufsfrist von einem Jahr und 14 Tagen, die auch die Angehörigen nutzen könnten. „Man darf nicht nichts tun“, erklärt die Expertin. Bei Bedarf könnten sich Betrugsopfer auch an die Verbraucherzentrale wenden. Dort könne überprüft werden, ob Handlungsbedarf vorliegt oder nicht und ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden müsse.
Laut Statistik werden Senioren nicht häufiger Opfer von Haustürbetrügereien, „aber ihre Betroffenheit ist größer – dieses Ausgeliefertsein, diese Ohnmacht“, weiß Ale-xander Poretzkin, Außenstellenleiter des Weißen Rings in Bonn. Die betagten Opfer wollten aus Selbstzweifel, Scham und Schuldgefühlen keinem von ihrem Erlebnis erzählen. Das sei falsch – „lieber Hilfe holen, als aus Selbstzweifel nichts zu machen“.
Der Weiße Ring, Deutschlands größte Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, hilft vor Ort mit ehrenamtlichen Mitarbeitern. Im Schadensfall rät Poretzkin, immer zuerst die Polizei zu informieren. Diese kann klären, ob es am Wohnort weitere ähnlich gelagerte Fälle gibt und so den Tätern schneller auf die Schliche gekommen wird. Aber wo fängt der Betrug an? „Jemanden zum Kauf eines überteuerten Produktes, das er nicht braucht, zu überreden, ist noch keine Straftat“, sagt der Experte. Wohl aber, wenn der Kauf für einen Betrug genutzt werde, etwa wenn das Kaufdatum nachträglich rückdatiert werde, um den Widerruf zu umgehen.
„Betrüger machen alle einen guten Eindruck“, weiß Poretzkin. Er rät, „am besten gar nichts zu unterschreiben“. Und wenn schon, dann sollte auch im Durchschlag nichts offen gelassen werden, „damit nicht im Nachhinein der Vertrag rückdatiert wird und die 14-tägige Widerrufsfrist nicht mehr greift“. Bei Verträgen bei Haustürgeschäften müsse der Käufer zweimal unterschreiben – den Kauf an sich und die oft im Kleingedruckten versteckte Bestätigung, vom Widerrufsrecht Kenntnis genommen zu haben. Wenn einem etwas merkwürdig vorkomme, solle man einen Nachbarn hinzubitten; „Täter mögen keine Öffentlichkeit“.
Das könnte zuletzt auch dementen, nicht mehr geschäftsfähigen Käufern und deren Angehörigen zugutekommen. „Wer Geld fordert, muss beweisen, dass das Geschäft rechtskräftig war.“ Für den Täter bestehe das Hauptrisiko, erwischt zu werden. Blöd für ihn, wenn vorher amtlich festgestellt wurde, dass sein Opfer zu dem Zeitpunkt gar nicht mehr geschäftsfähig war. Dieser Schritt sei „zur Vorbeugung von Haustürgeschäften optimal“. Dennoch rät Poretzkin zur Zurückhaltung beim vorschnellen Entzug der Geschäftsfähigkeit. „Das Gefühl, ich darf nicht mehr einkaufen, nagt doch sehr an alten Menschen.“