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Gerangel, Gesang und Jubel für einen eher unbekannten neuen Papst

Kardinal Robert Francis Prevost ist der neue Papst. Doch Leo XIV ist für viele eine unerwartete Wahl. Nun beginnt die Phase des Kennenlernens. Wer kann, will die ersten Momente seines Pontifikats live miterleben.

“Der Frieden sei mit euch allen!” lauten die ersten Worte des sichtlich gerührten neuen Papstes Leo XIV. Die Menschenmenge tobt, “Leone, Leone, Leone” schallt es vom Petersplatz bis zur Engelsburg. Die Freude an diesem historischen Moment teilhaben zu können, ist riesig. Doch wer dieser Mann auf der Mittelloggia des Petersdoms eigentlich ist, wissen die wenigsten. Ratlose Gesichter auch unter vielen der italienischen Fotografen, die mit ihren Teleobjektiven ganz nah am Geschehen sind.

Schon kurz vor 18.00 Uhr jubeln Zehntausende Menschen auf dem Petersplatz. Doch zunächst klatschen sie nicht für ein neues Kirchenoberhaupt. Der Star ist ein Möwenküken, das vor den Augen der Weltöffentlichkeit von seinen Eltern genau am berühmten Schornstein der Sixtinischen Kapelle gefüttert wird. Kaum ist dessen Abendmahl beendet, um 18.07 Uhr, erzittert der Petersplatz: Weißer Rauch, eindeutig.

Die sechs Glocken des Petersdoms läuten, die katholische Kirche hat ein neues Oberhaupt. “Viva il Papa!” “Habemus papam!”, antworten die Menschen auf dem Platz. Fahnen aus aller Welt werden enthusiastisch geschwenkt und Kinder auf den Schultern getragen. Manch einer betet in dem Trubel, ein älterer Italiener hat Tränen in den Augen.

Leo XIV. ist der erste US-Amerikaner auf dem Papstthron. Seine erste Ansprache hält er aber in einem nahezu akzentfreien Italienisch, wechselt gegen Ende ins Spanische und grüßt sein früheres Bistum Chiclayo in Peru. Seine Muttersprache Englisch lässt er aus. “Was? Ein Amerikaner ist es geworden?”, fragt ein US-amerikanisches Paar mit Tochter etwas ungläubig. “Hätten wir das gewusst, hätten wir lauter gejubelt.”

Der neue Papst ist in der Weltkirche und in der römischen Kurie mindestens ebenso zu Hause wie im Land seiner Geburt. Unter seinem Vorgänger Franziskus leitete der 69-Jährige die Vatikanbehörde für Bischöfe, quasi die Personalabteilung der katholischen Weltkirche. Viele Kirchenmänner kennen ihn – ein Vorteil beim bislang internationalsten und größten Konklave der Kirchengeschichte.

Darüber hinaus leitete er von Rom aus den weltweit agierenden Augustinerorden. In jüngeren Jahren ging er für seine Gemeinschaft nach Peru. Vor seinem Posten als Leiter der Bischofsbehörde kehrte er dorthin noch einmal als Bischof zurück.

An diesem milden Frühlingsabend füllt sich der Platz vor der Basilika schon früh. Doch nach dem weißen Rauch strömen Massen zum Vatikan, Trauben bilden sich an den Zugängen. Es wird gerangelt und geschubst. Eine Gruppe portugiesischer Urlauber will den Moment miterleben: “Das ist historisch!”- “Beeilt euch”, schimpft indes eine Italienerin und drängelt sich nach vorne. Zunächst bleibt die Polizei gelassen, kontrolliert stoisch jeden Einzelnen. Irgendwann gibt sie auf und die Menschen werden im Pulk durch die Sicherheitskontrolle geschleust.

Die kirchliche Inszenierung ist wie in den Wochen seit dem Tod von Papst Franziskus perfekt. Die Vatikan-Gendarmerie und die Schweizergarde marschieren auf den Platz vor dem Petersdom. Ihre Musikkapellen spielen die italienische und die vatikanische Nationalhymne. Die Menschen auf dem Platz singen. Auf das Gloria folgt der Stadiongesang “Ole, ole, ole”.

Rund eine Stunde nach dem weißen Rauch betritt Kardinalprotodiakon Dominique Mamberti den Balkon des Petersdoms und verkündet feierlich auf Latein den Namen des Gewählten. Und dann kommt er, der neue Papst: mit ausgebreiteten Armen, Tränen in den Augen und seinem Friedengruß für “alle Menschen, wo immer sie auch sind, alle Völker, die ganze Erde”.

In seiner Ansprache würdigt er seinen Vorgänger Franziskus und setzt erste Signale für sein Pontifikat. Er strebe eine Kirche an, die Brücken baue, den Dialog suche und immer offen sei für “alle, alle, die unsere Nächstenliebe, unsere Gegenwart, den Dialog und die Liebe brauchen”. Viele seiner Wörter erinnern an seinen Vorgänger. Dessen wichtiges Projekt zu mehr Teilhabe aller Gläubigen in der Kirche hebt Prevost explizit hervor. Seine etwa zehnminütige Ansprache beendet der Ordensmann mit einem gemeinsamen “Ave Maria”, dann zieht sich Leo XIV. für diesen Abend des 8. Mai erstmal zurück.

Die Menschenmassen schwärmen vom Platz in das gesamte römische Zentrum aus, der Verkehr kommt zum Stillstand. Drei US-amerikanische Priesteramtsanwärter beratschlagen, was sie nun tun wollen. Erstmal ein Bier, schlägt einer von ihnen vor. Was sie von einem Landsmann als Papst halten? Sie fühlen sich gerade noch nicht in der Lage darüber zu sprechen…