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„Gefühle von Freiheit und Leichtigkeit“

Schmetterlingsexperte Rainer Ulrich wirbt für naturnahe Gärten

Über Blumenwiesen flatternde Schmetterlinge sind ein Inbegriff von Sommer. Aber die bunten Schönheiten sind bedroht. Weil man nur schützen kann, was man liebt und kennt, wird Rainer Ulrich nicht müde, Menschen für Schmetterlinge zu begeistern – früher als Biologielehrer, jetzt mit seiner Internet-Zeitschrift „Das Schmetterlings-NETZ“ und als Buchautor. Im Interview mit Angelika Prauß bricht der Experte aber auch eine Lanze für Raupen und Nachtfalter.

Herr Ulrich, was fasziniert Sie und andere Menschen an Schmetterlingen?
Sie wecken Gefühle von Freiheit und Leichtigkeit. Aber auch die Farben- und Formenvielfalt spricht Menschen an – und ihre Art zu fliegen. Dennoch kennen die meisten Menschen von den in Deutschland beheimateten 3600 Schmetterlingsarten heute kaum mehr als fünf. Auch das Wissen über Zusammenhänge in der Natur geht zunehmend verloren. Da möchte ich gegensteuern.

Welche Zusammenhänge meinen Sie?
Nun, die meisten Menschen verehren Schmetterlinge. Aber wenn sie eine Raupe sehen, finden sie das oft ekelig und machen sie kaputt. Dabei entscheiden die Raupen, ob eine Schmetterlingsart ausstirbt oder nicht! Viele Schmetterlinge verbringen zehneinhalb Monate im Raupenstadium, aber nur maximal zwei Wochen als Falter. Für den fertigen Schmetterling ist es später vergleichsweise einfach, Nektar zu finden. Raupen haben es da viel schwerer. Deshalb ist es wichtig, dass es ihnen beim Überwintern gut geht und dass sie die richtigen Nahrungspflanzen finden. Und das wird zunehmend schwieriger – es gibt keine bunten Wiesen mehr, nur noch Hochleistungsfuttergrün. Fast alles wird totgespritzt und überdüngt.

Was kann jeder Garten- oder Balkonbesitzer tun, damit Schmetterlingsraupen einen geeigneten Lebensraum vorfinden?
Ihn naturnah und strukturenreich gestalten. Also möglichst viele unterschiedliche Lebensräume auf engstem Raum anlegen, mit einer Blumenwiese als Herzstück. Und: Mit vier Kohlsetzlingen – der Raupenpflanze für den Großen Kohlweißling – für nur einen Euro tut man mehr für den Schmetterlingsschutz als mit einem Schmetterlingsflieder.

Und was kann für Schmetterlinge bei der Gartengestaltung getan werden?
Kiesgärten, die gerade in Mode sind, sind ebenso ungünstig wie der Einheitsrasen, der jede Woche gemäht wird. Da überlebt keine einzige Raupe. Heute haben in den meisten Gärten nur noch Generalisten unter den Schmetterlingen eine Chance, die mit Stickstoff zurechtkommen – etwa Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs und Admiral. Es gibt keine Vielfalt mehr. Die meisten Menschen sind schon zufrieden, wenn sich an ihrem Schmetterlingsflieder was Buntes tummelt.
Die Menschen haben auch kaum noch Nutzgärten; gerade diese ziehen aber viele Schmetterlinge an. Dabei können schon kleine Anpflanzungen weitere Arten in den Garten locken. Ich selbst habe alleine 30 verschiedene Tagfalterarten in meinem Garten. Kohlweißlinge etwa fliegen auf Kohl und Kapuzinerkresse, Schwalbenschwänze mögen Möhren und Dill. Ohne großen Aufwand lässt sich auch eine Schmetterlingsspirale im eigenen Garten bauen. Sie sieht aus wie eine normale Kräuterspirale, wird aber mit Hornklee sowie weiteren Saug- und Futterpflanzen bepflanzt. Zehn solcher naturfreundlichen Nutzgärten in jedem Dorf würden schon ausreichen, um der Natur wirklich zu helfen.

Ein Stiefkind bei der Liebe zu Schmetterlingen scheinen die Nachtfalter zu sein. Ihnen haben Sie nun ein eigenes Buch gewidmet. Ein sehr spezielles Thema…
Ja, aber sehr faszinierend. Für die meisten Menschen sind das nur hässliche Motten. Sie heißen zwar Nachtfalter, dennoch fliegen rund 300 Arten – rund ein Viertel – am Tag.

Nachtfalter, die tagsüber unterwegs sind? Wie kann das sein?
In vielen Nachtfalterfamilien, die sich durch die Fühler- und Flügelform sowie dem Aussehen der Raupen ähneln, fliegen die Arten zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten. Beispielsweise bei den Schwärmern mit ihren düsenjetförmigen Flügeln. Davon gibt es bei uns drei Arten, die ausnahmslos tagsüber fliegen – so das bekannte Taubenschwänzchen. Die anderen 17 Schwärmerarten sind nur nachts unterwegs.

Und welcher ist Ihr persönlicher Favorit?
Unter den Nachtfaltern gibt es wunderschöne Exemplare. Mein Favorit ist der Russische Bär mit seinen fantastisch rot leuchtenden Flügeln. Das Flaggschiff der Nachtfalter ist der Kolibri-Schwärmer, auch als Taubenschwänzchen bekannt. Er saugt im Fliegen Nektar wie ein Kolibri!

Buchtipps:
• Rainer Ulrich: Schmetterlinge entdecken und verstehen. Kosmos Verlag, 176 Seiten, 19,99 Euro.
• Rainer Ulrich: Tagaktive Nachtfalter. Die Tagaktiven Nachtfalter Deutschlands. Kosmos Verlag, 312 Seiten, 29,99 Euro.