“Indiana Jones und der Große Kreis” zeigt, wie nah Videospiele heute bereits an der Kinovorlage sind. In der Kurzkritik des monatlichen Gaming-Tipps gibt es: “Flint: Treasure of Oblivion”.
Mit Kinofilmen, die zu Computerspielen werden, ist das so eine Sache. Der legendärste Flop dürfte “E.T.” aus dem Jahr 1982 sein, den Hersteller Atari sogar in der Wüste verbuddeln ließ. Dass es heute weniger Enttäuschungen gibt, liegt am technologischen Fortschritt, der spielbare Abenteuer näher an die cineastischen Originale rückt, aber auch am größeren Respekt gegenüber den Vorlagen.
“Indiana Jones und der Große Kreis” belegt eindrucksvoll, wie sich die Zusammenarbeit zwischen Filmstudios und Spieleentwicklern verbessert hat. Man habe in ständiger Verbindung zur Produktionsfirma Lucas Arts gestanden, versichern die Entwicklungschefs vom schwedischen Studio MachineGames, und das merkt man dem Werk auch an. Es reiht sich geschmeidig zwischen “Jäger des verlorenen Schatzes” und “Der letzte Kreuzzug” ein und adaptiert typische Trademarks des 80er-Jahre-Kinos. Da Zeitreisen leider – oder zum Glück – nur Fiktion sind, wurde dafür eigens ein digitaler Hauptdarsteller nach Film- und Fotomaterial des jungen Harrison Ford erschaffen. Indiana Jones sollte kein allmächtiger Superheld sein, sondern bodenständig und verletzbar wirken.
Zu Beginn überrascht der Held einen lateinisch sprechenden Einbrecher, der aus dem archäologischen Museum des Marshall College eine Katzenmumie aus Siwa entwendet. Doch er wird von der riesenhaften Gestalt überwältigt. Die Spur führt nach Rom, wo Indiana selbst einen Einbruch begehen muss.
Ob er dabei still und leise oder eher konfrontativ vorgeht, bleibt dem Spieler überlassen. Im Verlauf der Reise gesellt sich eine resolute Journalistin zu Dr. Jones, mit der er sich die für die Filmreihe charakteristischen Verbalscharmützel liefert. Natürlich geht es wieder gegen die Nazis, aber auch die Achsenmächte Italien und Japan mischen mit. Vom Vatikan aus führt die Reise weiter nach Sukhothai, Ägypten und in den Himalaya. Viele Gelegenheiten also, diverse Pyramiden und Katakomben zu erkunden, Fallen zu umgehen und Abgründe zu überwinden. Bei alldem denkt man unweigerlich an “Tomb Raider” und “Uncharted”, die beiden übergroßen Action-Adventure-Reihen von Square Enix und Sony.
Im Gegensatz zu diesen wählten MachineGames die Ich-Perspektive statt einer hinter der Hauptfigur schwebenden Kamera. Die Nähe zum Protagonisten sorgt für eine größere Unmittelbarkeit. Anders als im Film schlüpft man so tatsächlich in Indianas Rolle, dessen wichtigste Werkzeuge sein Verstand und seine Peitsche sind. Mit dieser entwaffnet er Feinde, schwingt sich über Hindernisse hinweg und bewegt schwer erreichbare Objekte.
Unterm Strich wird eine Menge gerannt und gekämpft, es gilt, genretypische Schalterrätsel zu lösen und im richtigem Moment auf die richtigen Tasten zu drücken. Klassisches Gameplay also, das sich dank toller HD-Grafik im Breitbildformat, deutscher Originalstimme, authentischer Filmmusik und vor allem einer guten Portion Humor wie ein interaktiver Kinofilm anfühlt.
Hätte man beim Spielen die Hände für Knabberkram frei, könnte man mit Fug und Recht von einem Popcorn-Game sprechen. Allzu viel Tiefgang und Logik sollte man dabei allerdings nicht erwarten. Oft wandelt der Held auf genau vorgezeichneten, “gescripteten” Pfaden, ein Open-World-Game ist “Indiana Jones und der Große Kreis” trotz einiger Freiheiten nicht. Vieles fühlt sich an wie ein Best of aus den Filmen, mal mehr, mal weniger passend zusammengewürfelt.
Das tut dem Spaß keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Im Kino will man sich ja auch nicht kreativ ausleben, sondern gut unterhalten werden. Insofern platziert sich das Werk in den Top 10 der zum Spiel gewordenen Spielfilme, irgendwo zwischen Hits wie “Spider-Man 2” (Sony, 2004) und “Mad Max” (Warner, 2015). Nach dem eher mauen letzten Indiana-Jones-Streifen können sich Fans nun also zumindest an PC und Konsole schadlos halten.
Bethesda
MachineGames
USK ab 16 Jahren; Klassische Indiana-Jones-Filme wie “Jäger des verlorenen Schatzes” oder “Tempel des Todes” sind ab 16 Jahren freigegeben. Da die Gewaltdarstellungen des Spiels sich ziemlich genau ans Original halten, scheint die offizielle Alterseinstufung gerechtfertigt.
nein
viele Sprachen einstellbar
PC, Xbox Series X/S; PlayStation 5: Frühjahr 2025
ab rund 80 Euro oder im Microsoft Game Pass-Abo (ab 11 Euro/Monat)
Die Action-Adventure-Reihen “Uncharted” (Sony/Naughty Dog) und “Tomb Raider” (Square Enix) bleiben das Maß aller Dinge. “Uncharted”-Held Nathan Drake, einst als Indiana-Jones-Verschnitt gestartet, hat sich längst vom Vorbild emanzipiert, auch Lara Croft konnte sich nach einigen Durchhängern wieder an die Genre-Spitze kämpfen. Die Spiele gibt es mittlerweile günstig für so gut wie alle erdenklichen Spieleplattformen.
Gute Videospiele mit Piraten-Thematik sind eher selten. Umso begrüßenswerter, wenn sich jemand mit einiger Verve dieses Stoffes annimmt. Kommen dann auch noch Liebe zum Detail und Mut zur Innovation hinzu, kann ja im Grunde nur noch ein perfektes Ergebnis herauskommen. Perfekt ist “Flint: Treasure of Oblivion” des französischen Studios Savage Level aber leider nicht, nicht nur wegen einiger Bugs. Neben der Steuerung bereiten die extrem komplexen Spielregeln, die man im digitalen Handbuch nachlesen muss, Kopfzerbrechen. Dank einer brillanten Einbindung von narrativen Elementen im Graphic-Novel-Stil und einer ebenso stimmungsvollen wie detailverliebten Grafik bleibt man dennoch bei der Stange. Und es lohnt sich, denn die Verknüpfung rundenbasierter Kämpfe mit Würfeln und den Grundtechniken von Pen-&-Paper-Spielen wie “Dungeons & Dragons” ist äußerst spannend und könnte durchaus wegweisend für ähnlich gelagerte Spiele sein.
Man muss allerdings bereit sein, sich durch viele Menüs zu klicken, die dafür aber extrem liebevoll gestaltet sind. Beim Zusammenstellen des eigenen Freibeuter-Teams hat man unzählige Optionen, das Zuordnen von Waffen, Fähigkeiten und Accessoires muss ebenso gut durchdacht sein wie das Hochstufen der Charaktere. Lust macht hier nicht zuletzt das wunderschöne Kartendesign im Look von Ölgemälden.
Bevor man irgendeine Aktion durchführen kann, muss man die Würfel sprechen lassen, wodurch bei allem zuvor geleisteten Feintuning auch das Glück eine wichtige Rolle spielt. Aber das muss man aushalten können. So oder so ist der Weg zum Spielerfolg steinig, gerade anfangs versteht man oft kaum, was auf dem Bildschirm vor sich geht. Ist der mühsame Einstieg einmal geschafft, kommen Piraten-, Rollenspiel- und Comic-Fans gleichermaßen auf ihre Kosten.