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Gambischer Diktatur-Minister Sonko in der Schweiz angeklagt

Menschenrechtler werten den Prozess als historisch: Wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit muss sich “Folterkommandant” Ousman Sonko in der Schweiz verantworten.

Das Bundesstrafgericht der Schweiz verhandelt den Prozess gegen den früheren gambischen Innenminister Ousman Sonko
Das Bundesstrafgericht der Schweiz verhandelt den Prozess gegen den früheren gambischen Innenminister Ousman SonkoImago / Eibner

Dass Ousman Sonko keine weiße Weste hat, wird schon aus seiner beruflichen Laufbahn klar. Im kleinen westafrikanischen Land Gambia legte der 55-Jährige unter Diktator Yahya Jammeh eine steile Karriere hin. Nun muss sich der „Folterkommandant von Gambia“ in der Schweiz in einem laut internationalen Organisationen historischen Verfahren wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Demnach ist Sonko der höchste Regierungsbeamte, dem bisher nach dem Weltrechtsprinzip in Europa der Prozess gemacht wird.

Sonko: Vom Kommandanten zum Innenminister

Sonkos Karriere beginnt, als er bei der Präsidentengarde anheuert, ein Jahr nachdem sich Jammeh 1994 an die Macht putschte. Als Mitglied der Garde soll er am Kommando beteiligt gewesen sein, das im Jahr 2000 den Soldaten Almamo Manneh ermordete, weil der angeblich einen Coup geplant hatte. Mannehs Frau wirft Sonko vor, sie nach dem Mord mehrfach vergewaltigt zu haben. Die Leiche Mannehs ist bis heute nicht gefunden worden.

Anfang der 2000er Jahre wird Sonko erst stellvertretender Kommandant der Präsidentengarde, kurz darauf ihr Chef. In der Zeit ist er bereits ein enger Vertrauter Jammehs, der ihn 2005 zum Polizeichef ernennt und ein Jahr später zum Innenminister. In der Rolle unterstehen ihm die Polizei, der Geheimdienst und die Gefängnisse, in denen Folter von politischen Gegnern an der Tagesordnung ist. Noch im April 2016, nur Monate vor Ende des Regimes, hat Sonko laut Anklageschrift mit anderen zusammen Oppositionelle gefoltert und einen Organisator von Protesten getötet.

Flucht nach Europa, Festnahme in Bern

Als klar wird, dass ein Umsturz nicht mehr verhindert werden kann, setzt sich Sonko im September 2016 nach Europa ab. Er beantragt eine Aufenthaltsgenehmigung in Schweden und geht in die Schweiz, als diese abgelehnt wird. Dort wird er im Januar 2017 in einem Zentrum für Asylbewerber im Kanton Bern festgenommen, nachdem die Organisation „Trial International“ die Behörden auf ihn aufmerksam gemacht hatte. Wenige Tage später verlässt auch Yahya Jammeh Gambia und geht ins Exil nach Äquatorialguinea, wo der Internationale Strafgerichtshof nicht anerkannt wird.

Vor der gambischen „Kommission für Wahrheit und Versöhnung“ sagten mehrere Zeugen gegen Sonko aus und berichteten von seiner Verstrickung in zahlreiche Verbrechen. Auch das Schweizer Gericht hat dutzende Personen befragt, bevor es im April 2023 Anklage in verschiedenen Punkten im Zusammenhang mit Folter, Vergewaltigung und Mord erhebt, einige davon Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sonko ist bisher der höchste Beamte aus Jammehs Regime, der sich für die Verbrechen vor einem Gericht verantworten muss. Ihm droht eine lange Haftstrafe.