Nach ihrem Gesetzentwurf zur Begrenzung der Migration ist neben der AfD plötzlich auch die CDU/CSU ein Ziel von „Demos gegen rechts“, zu denen auch Kirchenvertreter aufgerufen haben. Wie soll die CDU darauf reagieren? Der Evangelische Pressedienst (epd) sprach darüber mit David Müller, dem Landesvorsitzenden des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK) in Baden-Württemberg.
epd: Herr Müller, plötzlich wird auch gegen die Union demonstriert, das ist für Ihre Partei eine neue Erfahrung. Wie soll sie damit umgehen?
Müller: Das muss man aushalten, Demos sind ein Teil der Demokratie. Wir bleiben sachlich. Bashing ist nicht mein Stil. Wenn man reflektiert entschieden hat, wäre es doch überraschend, wenn man das aufgibt, nur weil einen jemand anschreit. Es kommen ja keine neuen Argumente. Wenn es in der Debatte wirklich neue, stichhaltige Argumente gibt, dann setzen wir uns damit auseinander.
epd: Die CDU/CSU soll also standhaft bleiben?
Müller: Ja, sie soll weiterhin zu ihren Überzeugungen stehen. Man muss einen breiten Rücken haben. Alle machen gerade Wahlkampf.
epd: Die Gräben zwischen den Bundestagsparteien scheinen sich zu vertiefen.
Müller: Wir Demokraten sind uns mehr einig, als wir glauben. Aber die Parteien haben eine andere kulturelle Prägung. Da sitzt etwa einer Partei die „Angst vor Weimar“ in den Knochen. Das muss man ernst nehmen. Etwas verschieden zu sehen, das ist Politik. Deshalb gibt es verschiedene Parteien.
epd: Nach aktuellen Umfragen wird die CDU/CSU die stärkste Fraktion. Wenn es keinen Koalitionspartner gibt, mit dem sie gerne zusammengeht und gemeinsame Ziele umsetzen kann, warum dann keine Minderheitsregierung nach skandinavischem Vorbild, mit wechselnden Mehrheiten?
Müller: Zunächst kämpfen wir für uns. Je mehr Stimmen, desto mehr Inhalte können wir in eine Koalition einbringen. Man kann erst dann rechnen, wenn wir das Wahlergebnis haben. Wenn einzelne Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern oder nicht, kann das große Verschiebungen bringen. Aber eine Minderheitsregierung ist grundsätzlich nichts Undemokratisches. Jede Entscheidung muss aber mit unterschiedlichen Partnern verhandelt werden, und das kann teuer werden.
epd: Wie sehen Sie aktuell das Verhältnis zu den Kirchen?
Müller: Das Tischtuch ist nicht zerschnitten. Kirche soll sich an der Politik beteiligen, auch in Parteien hineinwirken. Persönlich stehe ich ja als EAK-Landesvorsitzender ebenfalls an der Schnittstelle von Kirche und Politik. Aber Kirche sollte zuerst einmal den Menschen sehen.
epd: Vor allem die Schwachen?
Müller: Sie darf einen Blick haben für die, die unter die Räder kommen. Aber Jesus kam nicht nur für die Schwachen auf die Erde, sondern für alle. Wir brauchen Lösungen für alle. Lösungen, die für die Gesamtgesellschaft realistisch und tragfähig sind.
epd: Meinen Sie damit, die Kirche solle keinen ausgrenzen, nur weil er politisch angeblich die falsche Farbe hat?
Müller: Kirche soll Heimat für alle Menschen sein, ihnen die Hoffnung des Evangeliums vermitteln. Und sie sollte Brücken bauen und versöhnen. Mit dem anderen würdig umgehen, er ist Ebenbild Gottes, auch wenn er anderer Meinung ist. Die „Leitlinien für ein gelingendes Miteinander“, die sich die Evangelisch-methodistische Kirche vor Kurzem gegeben hat, finde ich vorbildlich.
epd: Was steht da drin?
Müller: Wir stellen die Sichtweise des anderen so fair wie möglich dar. Wir unterstellen einander Gutes. Wir streiten, aber wir widersetzen uns schädlichen Polarisierungen.
epd: Viele Menschen haben allerdings auch Ängste vor den anderen …
Müller: Mit Angst wird viel gearbeitet, viel Politik gemacht. Für die Angst brauchen die Leute die Kirche nicht, sie haben auch ohne die Kirche schon genug davon. Aber für die Hoffnung. Um als Protestant Papst Franziskus zu zitieren: „Die Atemluft eines Christen ist die Hoffnung.“ (0270/05.02.2025)