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“Führer und Verführer” – Filmdrama über Joseph Goebbels

Als Mischung aus Spielszenen, historischem Bildmaterial und Zeitzeugen-Aussagen aufgebautes Filmdrama über NS-Propagandaminister Joseph Goebbels und seinen Anteil an Manipulation und Inszenierung im Sinne der Nazi-Ideologie.

Etwas irritierend ist das schon. Liest man das Presseheft zu Joachim A. Langs Film “Führer und Verführer” mit Interviews des Regisseurs, des Hauptdarstellers Robert Stadlober, des wissenschaftlichen Beraters, der Produzentin und des Drehbuchautors, dann staunt man nicht schlecht ob des ausgesprochen hohen Reflexionsniveaus, der historischen Beschlagenheit, der politischen Integrität und des Wissens um die inhärenten Fallstricke rund um das ganze Projekt.

Viel kritischer Sachverstand, aus dem sich einiges hätte machen lassen. “Führer und Verführer” will einen Blick hinter die Kulissen des NS-Regimes werfen, die Mechanismen der Macht entdecken, ein “Making-of” des NS-Regimes liefern.

Das alles liest sich plausibel, allerdings lässt der Terminus “Verführer” aufhorchen, weil die Mittäter der NS-Verbrechen als durch die NS-Propaganda Verführte damit unter der Hand auch zu Opfern gemacht werden.

“Führer und Verführer” spielt zwischen 1938 und Mai 1945 und stellt in den Mittelpunkt das Wirken des Reichspropaganda-Ministers Joseph Goebbels. Der genießt seine Macht und verfügt über einen Apparat, der es ihm erlaubt, in großem Maßstab Propaganda zu inszenieren. Etwa den begeisterten Empfang des “Führers” (Fritz Karl) nach dem “Anschluss” Österreichs, der minutiös geplant und realisiert erscheint. Große Kunst, denn für Goebbels ist Propaganda Kunst, was seine Film-Interpretation dann auch bei jeder Gelegenheit betont.

So sitzt man denn im Kino und hakt die Stationen ab: “Anschluss” Österreichs, “Anschluss” des Sudetenlandes, Überfall auf Polen, Überfall auf Frankreich, Überfall auf die Sowjetunion, Stalingrad, Attentat auf Hitler und so weiter. So weit, so bekannt, zudem eher hölzern in Szene gesetzt.

Hinzu kommt die Darstellung des “Privatlebens” der Protagonisten, die sich am ehesten als “Herzblattgeschichten” charakterisieren lassen – bis hin zu Besuchen von Hitler oder Heinz Rühmann.

Bleibt noch als weiterer Erzählstrang Goebbels berufliche Tätigkeit als Reichsfilm-Minister. Auch hier wirft “Führer und Verführer” lediglich ein paar durchaus prominente Schlaglichter. Etwa Goebbels’ Ablehnung offener Propaganda und die Bevorzugung scheinbar unverdächtiger Unterhaltungsfilme, was intern durchaus auf Kritik stieß. Dann die Produktion der einschlägigen antisemitischen Filme wie “Jud Süß” und “Der ewige Jude” und später des Durchhaltefilms “Kolberg”, deren Wirkung nicht bloß unterstellt, sondern sogar inszeniert wird, wenn Soldaten an der Ostfront bei der Vorführung von “Jud Süß” in Rage geraten. Über die Wirkungsmechanismen der (Film-)Propaganda lehrt das Ganze aber leider nur wenig.

Ganz bei sich ist der Film dann wieder bei der Sportpalastrede vom “totalen Krieg”. Die wird als das gezeigt, was sie ist: eine bis ins Detail eines Versprechers kalkulierte rhetorische Produktion mit Probedurchläufen vor kleinem Publikum. Zum Schluss leistet sich “Führer und Verführer” dann noch etwas, was niemand braucht, nämlich eine Neuinszenierung von “Der Untergang”, weil auch noch das letzte Projekt der Familie Goebbels gezeigt werden muss: die konsequente Selbst-Auslöschung.

Natürlich geht es “Führer und Verführer” nicht um die Geschichte, sondern vielmehr um die Gegenwart, wenn Joachim A. Lang im Interview vermutet, dass Goebbels sich heute der einschlägigen Social-Media-Kanäle bedienen würde. Aufklärung über die Mechanismen der Propaganda, die Manipulation durch Fake News könne im Sinne von Medienkompetenz helfen, den “Demagogen der Gegenwart die Maske vom Gesicht zu reißen”, so Lang. Dass das trotz des eigenen Reflexionsniveaus misslingt, hängt wahrscheinlich damit zusammen, wie Lang sich der ganzen Thematik nähert: Bieder, zaghaft, seriös, immer mit der Angst im Nacken, dabei etwas zu riskieren. Viele Steilvorlagen für einen wirklich aufklärerischen Film über das Destruktive lässt “Führer und Verführer” leider ungenutzt.