Der Vatikan hat seine Bereitschaft erklärt, Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland auszurichten und damit als neutraler Ort für Verhandlungen bereitstehe. Mit dem katholischen Theologen und Vatikan-Berater Manfred Lütz haben wir über die diplomatische Rolle des Vatikan in diesem und anderen Konflikten gesprochen.
Herr Dr. Lütz, Papst Leo XIV. bietet an, Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland im Vatikan stattfinden zu lassen. Wie stark ist die Rolle der vatikanischen Diplomatie in diesem angespannten Konflikt?
Manfred Lütz: Die vatikanische Diplomatie hat sehr viel Erfahrung. Päpstliche Diplomaten gelten als äußerst gut ausgebildet und sie hatten immer guten Kontakt zu den jeweiligen Ortskirchen, so dass sie mehr über die Länder wussten als die meisten anderen Botschafter. Papst Franziskus selber war kein ausgebildeter Diplomat, versuchte im Ukraine-Krieg aber eine Position zu wahren, die über den Parteien stand. Das führte leider dazu, dass viele Ukrainer sich vom Papst nicht ausreichend unterstützt fühlten, obwohl er ihnen ganz rührende Texte schrieb. Weil sich der Vatikan bisher weigerte, trotz der Verurteilung des Krieges an sich, sich gegen Wladimir Putin zu positionieren, könnte tatsächlich jetzt der Vatikan bei der Suche nach Frieden eine vermittelnde Rolle spielen. Der Vatikan kann aber ausschließlich den Rahmen anbieten und er wird sicher darauf achten, nicht, zum Beispiel von Donald Trump, dazu missbraucht zu werden, dass der sich aus der Verantwortung zieht und dann am Ende bloß sagen möchte, auch der Papst habe es ja nicht geschafft.
Kann man sagen, dass der Heilige Stuhl damit strategische Ziele in der internationalen Politik verfolgt und wie unterscheiden sich diese von denen weltlicher Staaten?
Es geht vor allem um die Sicherung der Seelsorge in allen Regionen der Welt. Der päpstliche Nuntius hat immer auch eine sehr wichtige Rolle bei der Ernennung neuer Bischöfe. Aber zusätzlich ist das Völkerrechtssubjekt Heiliger Stuhl, also nicht der Vatikan, Beobachter bei den Vereinten Nationen und auch bei anderen internationalen Institutionen. Bei Gelegenheit hat er so auch in der internationalen Politik eine Rolle gespielt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Papst Pius XII. viel für die Wiederaufnahme der Deutschen in die Weltgemeinschaft getan. Papst Johannes XXIII. hatte eine vermittelnde Rolle bei der Kubakrise, Papst Johannes Paul II. war, wie Michail Gorbatschow betonte, entscheidend für das Ende der europäischen Spaltung und den Untergang des kommunistischen Ostblocks. Bei alldem geht es immer vor allem um Gerechtigkeit, um Frieden und um Freiheit.
Sie sprechen damit die lange Geschichte der vatikanischen Diplomatie an. Welche weitreichenden und vielleicht sogar erfolgreichen Friedensvermittlungen aus der Vergangenheit fallen Ihnen noch ein?
Gehen wir noch weiter zurück, muss man vor allem den Namensvorgänger des jetzigen Papstes nennen, Papst Leo XIII., der nach dem streitbaren Papst Pius IX. viele erfolgreiche diplomatische Initiativen ergriff, zum Beispiel in der Krise zwischen Spanien und dem Deutschen Reich. In den vatikanischen Gärten kann man auf einem Relief den friedenstiftenden Papst zwischen Bismarck und dem ppanischen Botschafter zu sehen. Damit endete auch der lange zermürbende Kulturkampf Bismarcks gegen die katholische Kirche in Deutschland.

Nicht nur im Krieg Russlands gegen die Ukraine appellieren die Kirchen regelmäßig an das Gewissen der Mächtigen. Auch im Nahen Osten wird ein Ende des Konflikts gefordert. Wie wirksam sind solche kirchlichen Appelle heute noch?
Man darf das nicht unterschätzen. Wenn es solche Appelle nicht gäbe, dann würden die alle moralische Kategorien sprengenden Äußerungen Donald Trumps mehr und mehr zu internationalen Selbstverständlichkeiten.