In der Debatte um Wehrpflicht und Freiwilligendienste hat der Friedensbeauftragte der westfälischen Landeskirche, Christian Bald, die Chancen eines „Pflichtjahres für alle“ betont. Der Dienst an der Waffe in der Bundeswehr und Dienste im sozialen Bereich könnten gleichwertig nebeneinander stehen und beide als Friedensdienst verstanden werden, sagte der Bielefelder Superintendent in einer Online-Veranstaltung der Evangelischen Akademie Villigst am Dienstagabend. Sowohl die Bundeswehr als auch die Zivilgesellschaft würden davon profitieren.
Der Friedensbeauftragte erklärte, in der gegenwärtigen Bedrohungslage aufgrund der Aggressivität Russlands brauche die Gesellschaft eine „realistische Vorstellung von Gegenwehr“. Dazu sei militärische Stärke ein Beitrag. Die Politik solle die für Wehrdienst und Ersatzdienst nötigen Ressourcen bereit stellen. Dazu gehöre auch pädagogische Begleitung, sagte der Theologe. Man müsse die Solidarität der Gemeinschaft spüren können – egal, welchen Dienst man leiste.
Der Leiter des Zentrums Freiwilligendienste der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, Matthias Schmitten, äußerte sich skeptisch, dass durch das zur Beschlussfassung im Bundestag anstehende Wehrdienst-Modernisierungsgesetz genügend Wehrdienstleistende gewonnen werden können. Man müsse sich bereits jetzt auf den Ausbau der Freiwilligendienste konzentrieren, die später bei Einführung einer Wehrpflicht für einen „echten Ersatzdienst“ tragfähig sein müssten.
Stabsfeldwebel Volker Keil, Vorsitzender des Landesverbandes West des Deutschen Bundeswehrverbandes, plädierte dafür, bereits jetzt auf Kirchen und Blaulichtorganisationen wie THW, Feuerwehr und Rettungsdienste zuzugehen, für den Fall, dass der zunächst geplante freiwillige Wehrdienst nicht ausreiche. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre aber die Entscheidung für eine Wehrpflicht gar nicht realisierbar – zunächst müsse die Infrastruktur mit Kasernen, Ausbildern und Wehrerfassung „auf die Beine gestellt“ werden.
Der Bundestag wird am Freitag über das neue Wehrdienst-Gesetz abstimmen. Es hat zum Ziel, mehr Personal auf freiwilliger Basis für die Bundeswehr zu gewinnen, indem die Besoldung steigt und junge Männer mit einem Fragebogen angeschrieben werden, in dem sie angeben müssen, ob sie bereit wären, zur Bundeswehr zu gehen.