Für Emmanuel Macron ist es eines seiner größten sozialpolitischen Projekte: die Neuregelung der Suizidbeihilfe. Die Nationalversammlung stimmte einem kontrovers diskutierten Gesetzentwurf nun in erster Lesung zu.
In Frankreich könnte aktive Sterbehilfe für unheilbar kranke Menschen demnächst erlaubt sein. Die Nationalversammlung in Paris stimmte am Dienstagabend in erster Lesung mit 305 zu 199 Stimmen einem umstrittenen Gesetzentwurf zu. Darin geht es um ein Recht auf Sterbehilfe unter bestimmten strengen Auflagen für sterbenskranke Menschen, die bei vollem Bewusstsein sind. Ein zweiter Text zum Ausbau der Palliativpflege wurde einstimmig verabschiedet. Das Ganze geht jetzt in den Senat, der die Entwürfe aber auch wieder an die Nationalversammlung zurückgeben kann.
Die Neuregelung der Suizidbeihilfe gehört zu den wichtigsten gesellschaftspolitischen Gesetzesvorhaben von Staatspräsident Emmanuel Macron. Durch die Liberalisierung soll auch aktive Sterbehilfe unter bestimmten Voraussetzungen künftig legal sein. Der Gesetzentwurf soll zum einen Erwachsenen mit schwersten Erkrankungen die Einnahme tödlicher Medikamente gestatten. Wenn der körperliche Zustand es den Betroffenen nicht möglich macht, die Medikamente selbstständig zu nehmen, sollen sie sich aber auch von einer Person ihrer Wahl helfen lassen können.
Gleichzeitig sollen Orte, an denen Suizidbeihilfe durchgeführt wird, besonders geschützt werden. Bereits am Wochenende hatten die Abgeordneten einem Antrag zum Gesetz zugestimmt, wonach es künftig strafbar sein soll, andere Menschen daran zu hindern, Suizidbeihilfe zu verlangen oder sich darüber zu informieren. Dafür können bis zu zwei Jahre Haft sowie 30.000 Euro Geldstrafe drohen.
Die Liberalisierung von Sterbehilfe ist in Frankreich sehr umstritten. Neben konservativen Abgeordneten äußerte auch die katholische Kirche Kritik. In einer Erklärung im Vorfeld hatten die Bischöfe alle Katholikinnen und Katholiken aufgefordert, sich gegen das Gesetz einzusetzen: “Sagen wir Nein zur Legalisierung von Euthanasie und assistiertem Suizid.”
Der scheidende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Éric de Moulins-Beaufort von Reims, erklärte: “Töten kann nicht die Wahl der Brüderlichkeit oder der Würde sein. Es ist die Wahl von Verlassenheit und Verweigerung der Hilfe bis zum Ende.”
In Deutschland ist aktive Sterbehilfe verboten, Beihilfe zum Suizid aber erlaubt. Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 dürfen auch Sterbehilfevereine Suizidwilligen bei der Selbsttötung helfen. Bemühungen des Bundestages, einen rechtlichen Rahmen für freiverantwortliche Suizide mit Beratungspflichten und zeitlichen Fristen zu schaffen, sind bislang gescheitert.