Forschende der israelischen Bar-Ilan-Universität und der Universität Augsburg haben in Israel eine rätselhafte unterirdische Anlage entdeckt. Die frühchristlich genutzte Höhle sei wahrscheinlich schon vor dem vierten Jahrhundert nach Christus entstanden, teilte die Uni Augsburg am Freitag mit. Die Höhle liege etwa 50 Kilometer südwestlich von Jerusalem. Sie bestehe aus einer Grabkammer, von der eine Treppe in einen Steinbruch hinabführt. Die Wände des Steinbruchs seien mit gemalten Kreuzen und einer großen Inschrift versehen. Beides deute darauf hin, dass der Ort für religiöse Zwecke genutzt wurde – möglicherweise, weil das Grab viele Pilger anzog.
Die frühchristliche Verehrungsstätte liege in der Nähe der antiken Stadt Eleutheropolis. Ende des 3. Jahrhunderts begann sich das Christentum in der Region zu etablieren. Im 5. Jahrhundert war die Stadt Bischofssitz und ein bedeutendes christliches Zentrum. Der israelische Archäologe Boaz Zissu sei bereits 2017 auf die zuvor unbekannte Höhle gestoßen und habe seinen Augsburger Kollegen Erasmus Gaß hinzugezogen. „Ein Aspekt, durch den sich der Komplex von anderen Gräbern abhebt, ist der Steinbruch“, sagte Gaß. „Grundsätzlich sind Steinbrüche in der Region zwar alles andere als selten. Hier wurde er aber offensichtlich für religiöse Zwecke genutzt – das kennt man ansonsten nicht.“
Das Grab liege in einer unterirdischen quadratischen Kammer von etwa fünf mal fünf Metern Größe. Auf der gegenüberliegenden Seite führe eine Treppe hinunter in den glockenförmigen, rund 14 Meter hohen Steinbruch. Eine der Wandmalereien zeige ein von einem Lorbeerkranz umgebenes Kreuz. Zwischen den Armen des Kreuzes seien die Buchstaben Iota und Chi für Jesus Christus sowie Alpha und Omega als Symbole für den Anfang und das Ende zu sehen. In einer großen Inschrift stehen die Worte „Grabmal von Abraham dem Gerechten“. „Wer dieser Abraham war, wissen wir nicht“, sagte Gaß. „Wahrscheinlich handelt es sich um einen Eremiten, Märtyrer oder Heiligen, der hier gestorben ist und von der lokalen Bevölkerung verehrt wurde.“
Irgendwann scheine sich sein Grab jedoch zu einer populären Pilgerstätte entwickelt zu haben. „Wir vermuten, dass die eigentliche Grabkammer als Andachtsort für die Besucher zu klein wurde“, meint Gaß. „Man beschloss daher wohl, den Steinbruch ebenfalls als Verehrungsstätte zu nutzen.“ In diesem Zuge seien dann wahrscheinlich das Kreuz und die Inschrift entstanden. Warum das Grab des Abraham eine so große Anziehungskraft entwickelte, ist unbekannt. (00/0545/16.02.2024)