Artikel teilen:

Formulare, Vollmachten, Verteiler

Gefragt, was sie an ihrem Ehrenamt am schönsten finden, nennen Freiwillige häufig die innigen Momente mit Menschen, denen sie ein kleines bisschen Glück schenken konnten. Doch es gibt auch weniger schöne Seiten am Ehrenamt: den Papierkrieg

Sebastian Gauert - Fotolia

Eva Peteler gehört in Würzburg zu den aktivsten Ehrenamtlichen. Sie ist im Flüchtlingsrat engagiert. Als Ansprechpartnerin für freiwillige Helfer bekommt sie mit, wie schwierig bürokratische Erfordernisse für Menschen sind, die Flüchtlinge unterstützen wollen: „Eigentlich braucht es für jeden Kontakt mit Ämtern wie Jobcenter, Ausländerbehörde, Sozialamt oder Familienkasse eine Vollmacht“, sagt sie.

Bei einem Ehrenamt muss einiges geklärt werden

Peteler wünscht sich bei freiwilligem Engagement die Devise: „Kein Papier“. Davon könnten Flüchtlingshelfer jedoch nur träumen. Freiwillige müssten mit Geflüchteten permanent Formulare ausfüllen. Sie arbeiten Anträge mit mehrseitigen Abfragen zu Bildungsstand und Qualifikationen durch, füllen Anmeldungen für Integrationskurse aus und kämpfen sich im Krankheitsfall durch Anamnesebögen.
Dass Ehrenamtliche oft mit Bürokratiehürden zu kämpfen haben, bestätigt auch Volker Stawski von der Würzburger Seniorenberatung. So taucht früher oder später immer die Frage nach dem Versicherungsschutz auf: „Zum Beispiel, wenn ehrenamtliche Helfer Senioren mit einem Kleinbus fahren, sie zur Kirche begleiten oder im eigenen Auto mitnehmen.“
Auch der Frankfurter Stadtelternbeirat kritisiert den bürokratischen Aufwand im Ehrenamt. „Bei uns ist zum Beispiel das Bildungs- und Teilhabegesetz für Kinder aus Hartz-IV-Familien häufig Beratungsthema, da es für viele Betroffene zu kompliziert ist“, sagt die Vorsitzende Alix Puhl. Oft dauere es lange, bis beantragte Reisekosten für Klassenfahrten eintreffen. „Das Geld muss dann entweder aus der Klassenkasse oder vom Lehrer vorgestreckt werden.“
Thomas Beyer, Vize-Präsident der Arbeiterwohlfahrt, kann sich gut in die Lage der Ehrenamtlichen hineinversetzen. Vor allem Vereine, die Sommerfeste, Faschings-, Schützen- oder Trachtenumzüge organisieren, klagten zuweilen über eine kaum noch zu bewältigende Bürokratie. Die GEMA verleide es Ehrenamtlichen, zu Tanzkreisen oder Stadtteilfesten einzuladen. Damit das Ehrenamt nicht durch überbordende Bürokratie überschattet wird, plädiert Beyer für eine „umsichtige Rechtsanwendung und für Fingerspitzengefühl“.
Wer sich freiwillig in der Kinder- und Jugendarbeit engagiert, benötigt seit 2012 ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis. „Für ehrenamtlich Tätige müssen wir seitdem Führungszeugnisse einfordern, Anträge stellen, Zeugnisse einsehen und Abfragen dokumentieren“, schildert Sophie Barth vom Hessischen Jugendring. Dieser Verwaltungsaufwand raube einen erheblichen Teil der knappen Ressourcen der Jugendverbände. Barth: „Eine Auskunft beim Bundeszentralregister wäre bürokratie- und kostenfreundlich und genauso effektiv.“
Wie schwierig der Umgang mit behördlichen Auflagen ist, weiß auch Ursula Stegemann, Referentin für Freiwilliges Engagement bei der Diakonie Hessen. „Gleichzeitig ist die Einhaltung vieler Vorschriften Voraussetzung für gute Arbeit“, betont sie. Dies betreffe die Hygienebelehrung bei der Arbeit mit Lebensmitteln, etwa bei den Tafeln, oder die Allergenkennzeichnung, die auch bei Kuchenspenden erforderlich ist.

Ein Ansprechpartner kann bei Fragen weiterhelfen

Karen Sommer-Loeffen, Referentin beim Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe, sieht in Vereinbarungen, Formularen und Vorschriften aber auch etwas Gutes: nämlich einen verantwortungsbewussten Rahmen für das Ehrenamt. „Wer sich engagiert, muss wissen, wie er versichert ist, was er darf und wovon er besser die Finger lässt.“ Ihre Erfahrung ist, dass vielen Ehrenamtlichen Klarheit gibt, wenn sie genau wissen, was ihre Aufgaben sind, wer ihr Ansprechpartner ist und wo ihre Grenzen sind. Je nach Bereich – Bahnhofsmission, Flüchtlingsarbeit oder Kinder- und Jugendtelefon – sind die Anforderungen unterschiedlich. Ehrenamtliche müssten über Schweigepflicht, Versicherungen oder gesundheitliche Vorschriften Bescheid wissen.
„Früher geschah viel auf Zuruf. Das geht heute nicht mehr“, sagt Sommer-Loeffen. Wer sich im Rahmen einer Einrichtung der Diakonie engagiert, bekommt mindestens ein Info-Blatt oder es wird eine Vereinbarung unterzeichnet. In Kirchengemeinden gebe es noch einen großen Graubereich. Presbyterien empfiehlt Karen Sommer-Loeffen einen Ehrenamtskoordinator, einen Ansprechpartner festzulegen. Es sollten klare Richtlinien festgelegt sein, damit Ehrenamtliche wissen, was auf sie zukommt und worauf sie sich einlassen.