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Farbenfrohe Einblicke in das venezianische Leben der Frührenaissance

Unter dem Titel „Carpaccio, Bellini und die Frührenaissance in Venedig“ zeigt die Staatsgalerie Stuttgart vom 15. November 2024 bis zum 2. März 2025 eine Große Sonderausstellung. Zum ersten Mal in Deutschland stehe Vittore Carpaccio (um 1460/65-1525/26) rund 500 Jahre nach seinem Tod im Mittelpunkt einer Schau, sagte die Direktorin der Staatsgalerie, Christiane Lange, am Donnerstag bei der Pressekonferenz zur Eröffnung der Ausstellung. Rund 55 Gemälde und Papierarbeiten aus eigenem Bestand sowie internationale Leihgaben beleuchten Carpaccios einzigartige Stellung als Chronist venezianischen Lebens und stellen sie in den Kontext von Künstlern seiner Zeit.

Carpaccio ist einer der bedeutendsten Maler der Frührenaissance in Venedig. Er habe mit seiner Kunst das Venedig zu seiner Zeit dargestellt: „Eine lebendige Metropole bevölkert von aller Herren Länder“, sagte die Kuratorin der Ausstellung, Annette Hojer. Um 1500 zählte er zu den meistbeschäftigten Malern und konkurrierte mit heute weitaus berühmteren Meistern wie Giovanni Bellini (um 1435-1516), von dem in der Ausstellung ebenfalls Bilder zu sehen sind.

Ausgangspunkt der Ausstellung sind zwei bedeutende Werke von Carpaccio, die sich in der Sammlung der Staatsgalerie befinden: Das Altarbild „Der heilige Thomas von Aquin mit den Heiligen Markus und Ludwig von Toulouse“ (1507), und das „Martyrium des heiligen Stephanus“ (1520). Laut der Co-Kuratorin der Ausstellung, Christine Follmann, wurden diese beiden Werke zwei Jahre lang intensiv restauriert und untersucht. Bei dem „Martyrium des heiligen Stephanus“ habe sich mithilfe von Röntgenaufnahmen und einem Infrarotreflektogramm gezeigt, dass Carpaccio eine Abendstimmung durch eine rötlich-braun eingefärbte Grundierung erzeugt habe. Diese Farbe der Grundierung sei ebenso wie detaillierte bleiweiße Unterzeichnungen besonders für seine Zeit.

Besonders ist auch Vittore Carpaccios „Der heilige Georg bezwingt einen Drachen“ (1516), eines der bekanntesten Werke des Künstlers, das er für einen Altar der Benediktinerkirche San Giorgio Maggiore in Venedig gemalt hat: Entschlossen stürmt der Heilige Georg auf seinem Pferd los und stößt seine Lanze in den Drachen. Die Landschaft im Hintergrund mit Wasser und Bergen erinnert an Carpaccios eigenes Umfeld. So wird in einer Zeit von Kriegen und politischen Spannungen der frühchristliche Held zu einem Symbol für Venedig und das Christentum im Kampf gegen feindliche Kräfte.

Rund fünf Jahrhunderte später greift der Künstler Ai Weiwei dieses Werk von Carpaccio auf und kopiert es mithilfe von Spielbausteinen. Dieses verpixelt wirkende Bild des Heiligen Georgs wird in der Ausstellung im selben Raum dem Originalwerk gegenübergestellt und zeigt: Der Kampf des Guten gegen das Böse ist auch heute noch aktuell.

Unkonventionell sind einige der Gemälde Carpaccios, weil sie sich an ein weibliches Publikum richten, das sonst selten im Fokus der Maler um 1500 stand. Eine Reihe von Andachtsbildern bezeugt Carpaccios Nachdenken über Alltagsleben und Kunstgeschmack venezianischer Frauen. Auch in dem Bild „Die lesende Maria“ verbindet Carpaccio venezianischen Alltag und christliche Heilsgeschichte: Er präsentiert die Gottesmutter als modisch gekleidete Venezianerin, die in das Lesen eines Gebetsbuches vertieft ist.

Die Ausstellung ist eine Große Sonderausstellung des Landes Baden-Württemberg. Sie steht unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Italienischen Republik in Deutschland und wird vom Land Baden-Württemberg, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Kulturstiftung, der Adriani Stiftung und der Wüstenrot Stiftung gefördert. (2567/14.11.2024)