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Fachleute fordern mehr Einsatz für interreligiöse Gespräche

Es können private Einladungen zum Essen sein. Aber auch organisierte Formate machen es möglich, dass sich Juden, Christen und Muslime begegnen. Über die Rolle von Kirchen und Staat dabei wurde jetzt in Bonn gesprochen.

Kirchen und Staat müssen sich Fachleuten zufolge stärker für Begegnungen von Juden, Christen und Muslimen engagieren. Nötig seien mehr Räume für Gespräche von Angehörigen dieser abrahamitischen Religionen, sagte Andreas Herrmann, Referent für interreligiösen Dialog der Evangelischen Kirche in Deutschland, am Dienstagabend in Bonn. Die Kirchen müssten selbstkritisch feststellen, dass sie in der Vergangenheit zu sehr in christlich-jüdischen beziehungsweise christlich-islamischen Dialogformaten gedacht und gehandelt hätten – anstatt alle drei Religionen zusammenzubringen.

“Jede Religion muss die Frage für sich beantworten, welchen Beitrag sie über ihre Religion hinaus in die Gesellschaft hineintragen kann”, betonte der Oberkirchenrat. Alle Religionen sollten darauf Antworten suchen und finden. Herrmann verwies auf den Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober 2023 und den folgenden Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen. Seitdem habe sich die Situation zugespitzt, und man stehe vor kaum für möglich gehaltenen Herausforderungen.

Herrmann äußerte sich zum Auftakt der Annemarie-Schimmel-Lectures der Universität Bonn. Dazu hatte das International Center for Comparative Theology and Social Issues eingeladen. Schimmel (1922-2003) war Islamwissenschaftlerin und Orientalistin. Sie gilt als bedeutendste nicht-muslimische Islamwissenschaftlerin des 20. Jahrhunderts. Charlotte Elisheva Fonrobert, Professorin für Jüdische Studien und Religionswissenschaften an der Stanford University, behandelt dabei das Thema “Der Ort des Judentums in der Gegenwart”. Die erste Vorlesung fand im Bonner Münster, der Hauptkirche der Stadt, statt.

Fonrobert sagte, dass Staat und Kirchen immer wieder Juden, Christen und Muslime miteinander ins Gespräch bringen sollten. Das sei auch ein Ansatz im Vorgehen gegen Antisemitismus. Allerdings gestalte sich der Dialog auf vielen Ebenen zunehmend schwierig, aktuell etwa auch an US-amerikanischen Universitäten. Dort hatten mehrmals als propalästinensisch bezeichnete Proteste, die teilweise zu Zusammenstößen führten, für Schlagzeilen gesorgt.

Wenn Menschen mit unterschiedlichen Ansichten nicht im Gespräch blieben, mache sich allgemeine Hoffnungslosigkeit breit, betonte Fonrobert. Es sei wichtig, aus eigenen “Echokammern” herauszukommen, um mögliche Stereotype zu überwinden. Dazu könnten auch private Initiativen wie zum Beispiel Einladungen zu Schabbatessen beitragen.