Der AfD-Erfolg ist nicht nur Folge einer Protestwahl, sagt der Wissenschaftler Rolf Frankenberger. Vielmehr sei die Partei vor allem aus nationalistischen, völkischen und antidemokratischen Überzeugungen gewählt worden.
Der Rechtsextremismusforscher Rolf Frankenberger sieht den Wahlerfolg der AfD bei der Bundestagswahl als alarmierendes Zeichen. Vielerorts könne man sie bereits als “Volkspartei” bezeichnen, sagte Frankenberger am Montag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Tübingen.
Dass eine in Teilen rechtsextreme Partei mit fast 21 Prozent der Stimmen zweitstärkste politische Kraft in Deutschland geworden ist, sei “eine beunruhigende Entwicklung”. Der Politikwissenschaftler betonte: “Völkisches, nationalistisches Gedankengut ist wieder hoffähig und wird durch die Präsenz der AfD in den Parlamenten und den Medien immer weiter normalisiert.”
Dabei könne man die AfD fast schon als “Volkspartei” einordnen, sagte Frankenberger: “Von einer Volkspartei würde man sprechen, wenn eine Partei für Wählerinnen und Wähler aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, Schichten und Milieus offen ist. Das ist bei der AfD der Fall, sie rekrutiert in allen Alters- und Berufsgruppen.”
Er schränkte allerdings ein, dass zur Definition einer “Volkspartei” auch gehöre, offen für verschiedene Weltanschauungen zu sein. Das sei bei der AfD nicht der Fall. “Sie ist offen für nationalistische, völkische und neoliberale, kurz: rückwärtsgewandte, Weltanschauungen.” Weder für liberale noch für pluralistische, progressive oder soziale Weltanschauungen sei in der AfD wirklich Platz, sagte der Wissenschaftler.
Frankenberger bilanzierte: “Im Osten scheint die AfD den Sprung zur Volkspartei vollzogen zu haben, bundesweit allenfalls in Hinblick auf die Stimmenanteile, wobei man historisch ja von Volksparteien gesprochen hat, wenn sie mindestens 30 Prozent auf sich vereinen.”
Für den Politologen hat die Bundestagswahl gezeigt, “dass Rechtsextremismus ein gesamtdeutsches Problem ist, das sich nicht in den Osten abschieben lässt”. Zur Frage, ob die Bundestagswahl mit dem hohen Stimmenanteil der AfD eine Protestwahl war, betonte Frankenberger: “Es gibt einen Anteil Protest, aber eben auch einen überwiegenden Teil, der aus nationalistischen, völkischen und zum Teil antidemokratischen Überzeugungen heraus gewählt hat.”
Aus den Nachwahlbefragungen gehe hervor, dass “zwei Drittel die AfD aufgrund ihres Programms, etwa 55 Prozent wegen der Überzeugung für die Partei und ‘nur’ 40 Prozent aus Enttäuschung über die anderen Parteien wählen”. Hinzu komme eine “offensichtliche Fremdenfeindlichkeit”, wenn 89 Prozent der AfD-Wählerinnen und -wähler sich darüber Sorgen machten, dass zu viele Fremde nach Deutschland kämen und 99 Prozent es gut fänden, wenn der Zuzug von Ausländern begrenzt würde.
Der Politikwissenschaftler äußerte sich auch zur Frage, was die Kirchen mit ihren Warnungen vor der AfD erreicht haben. “Was wäre, wenn sie es nicht getan hätten?”, fragte Frankenberger. “Bislang zeigen nämlich statistische Auswertungen von Strukturdaten und von Nachwahlbefragungen früherer Wahlen ganz gut, dass die Mitgliedschaft in der römisch-katholischen Kirche, aber durchaus auch in den evangelischen Landeskirchen, die Menschen zumindest teilweise davon abhält, die AfD zu wählen.” Der Anteil der AfD-Wählerinnen und -wähler sei dort leicht niedriger. Andererseits spielten momentan viele Faktoren eine Rolle – etwa eine gefühlte Unsicherheit oder Abstiegsängste. Und die machten auch vor Christinnen und Christen nicht halt.