Für den Extremismusforscher Julian Junk ist der Erfolg der AfD bei der hessischen Landtagswahl nicht als Ergebnis einer reinen Protestwahl zu erklären. Zwar seien die meisten Wähler von den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP zur AfD gewandert, was auch Ausdruck eines Protests sei. „Aber die AfD vertritt anti-migrantische und fremdenfeindliche Einstellungen, die eben von vielen Wählerinnen und Wählern geteilt werden“, sagte der Inhaber der Forschungsprofessur Extremismus und Extremismusresilienz an der Hessischen Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit (HöMS) dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die vor Kurzem veröffentliche Mitte-Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung habe zudem gezeigt, dass die Distanzierung von hochproblematischen Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft in Deutschland abnimmt. Diese Entwicklung bereite ihm ebenso viel Sorge wie das Ergebnis der Studie, dass rund acht Prozent der Bevölkerung eine klar rechtsextreme Orientierung hätten, sagte Junk.
Laut den vorläufigen Ergebnissen ist die AfD am Sonntag mit 18,4 Prozent der Stimmen zur zweitstärksten Partei in Hessen gewählt worden. Angesichts der AfD-Ergebnisse der vergangenen beiden hessischen Landtagswahlen (2018: 13,1 Prozent, 2013: 4,1 Prozent) sei laut Junk aber nicht von einem „Rechtsruck“ zu reden, der etwas Plötzliches impliziere. Stattdessen handle es sich um „die Verstärkung einer Tendenz, die wir seit Jahren beobachten“, sagte der Extremismusforscher.
Neben Fragen zu den Themen Migration und Nationalismus seien für viele Wähler in Hessen Debatten zur wirtschaftlichen Entwicklung und der Wahrnehmung der Klimapolitik wahlentscheidend gewesen. „Die AfD konnte in all diesen Bereichen mit Protesthaltungen Gehör finden“, sagte Junk. Problematisch sei es außerdem, den Ausspruch, dass es rechts von CDU oder CSU keine Parteien geben dürfe, mit der Übernahme von rechtspopulistischen oder rechtsextremen Positionen zu verbinden. „Damit macht man sich Positionen von Rechts zu eigen. Der Effekt davon ist immer derselbe: Man wählt stärker das Original“, also die AfD oder auch die Freien Wähler in Bayern, sagte Junk.
Sowohl die Mitte-Studie als auch die Ergebnisse der Landtagswahlen in Hessen und Bayern seien eine Aufforderung zum Handeln und ein Appell an gesellschaftliche Akteure und jeden Einzelnen. „Wir brauchen eine klare Auseinandersetzung mit den Positionen der AfD, indem wir herausarbeiten, was diese für den Einzelnen bedeuten“, sagte Junk. Von Seiten der Politik müsse zusätzlich mehr in Extremismusprävention und politische Bildung investiert werden. Im Bereich der Medien sei es wichtig, beispielsweise positive Beispiele zivilgesellschaftlichen Engagements stärker hervorzuheben, sagte Junk.