Angehörige von Straßenverkehrsopfern errichten an der Unfallstelle häufig Kreuze. Eine Ethnologin erläutert die Gründe für die Tradition.
An Unglücksstellen aufgestellte Kreuze sind laut einer Ethnologin für die Angehörigen oft bedeutender als die Grabstellen. “Am Unfallort schwingt die Vorstellung mit, dass der Mensch dort seinen letzten Gedanken gedacht hatte. Als seien die Gefühle der letzten Minuten dort konserviert”, sagte Christine Aka vom kulturanthropologischen Institut Oldenburger Münsterland am Montag dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de. In der Vorstellung der Angehörigen habe dort die Seele den toten Körper verlassen.
Nicht selten brauchten Angehörige viele verschiedene Orte der Trauer und kultivierten mehrere Erinnerungsstätten, sagte Aka. “Viele haben zum Beispiel auch zu Hause einen Ort zum Trauern, wo sie vielleicht Bilder haben.”
Straßenkreuze seien Ausdruck einer “Jenseitsgläubigkeit”, so Aka. Diese entspreche nur nicht immer den Regeln der großen Kirchen. “Wir wissen mittlerweile, dass sich Menschen ihre Religiosität oder Spiritualität je nach Bedürfnis- oder Gefühlslage zusammenbasteln.”
Akas Beobachtungen fußen nach eigenen Angaben auf ihrer ethnologischen Feldforschung, für die sie nach der Wende mehr als 250 Orte in Deutschland besuchte. In Ostdeutschland habe sie als erstes die Tradition beobachtet, dass am Ort eines tödlichen Unfalls Angehörige oder Freunde Kreuze aufstellen. Diese Praxis habe sie mit der Zeit auch in Westdeutschland vorgefunden.