Artikel teilen:

Experten über Verfassungsrechte für die Natur

Sind Grundrechte der Natur im Verfassungsrecht eine Möglichkeit, Artensterben und Klimawandel besser Einhalt zu gebieten? Mit dieser Frage befasst sich noch bis Freitag eine interdisziplinäre Tagung in Münster. Solche Rechte ins Grundgesetz integrieren zu wollen, bedeute ein großes Umdenken, für das unterschiedliche Gruppen, Interessen und Milieus gewonnen werden müssten, so Christina Ax, Gründerin des Netzwerks “Rechte der Natur”.

“Natur kommt in heutigen Wirtschaftsmodellen nicht als produktive Kraft vor. Dabei ist doch Natur die Voraussetzung für alles, was wir machen”, so die Philosophin und Ökonomin. Deshalb müssten die Eigenrechte anerkannt und durchgesetzt werden. Die vor 300 Jahren begonnene Entgrenzung und Allmacht rein wirtschaftlichen Denkens müsse wieder eingebettet werden in seine natürlichen und sozialen Voraussetzungen.

Wie eine Aufnahme solcher Rechte ins Grundgesetz aussehen könnte, stellte der Jurist Peter Mohr vor. So könne in Artikel 1, “Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten …”, ein neuer Absatz eingefügt werden: “Die Würde der Natur gebietet, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, zu pflegen und zu wahren und den Eigenwert der natürlichen Mitwelt im Ganzen der Natur zu achten.” Zwar betonten auch das Bundesnaturschutz- und das Wasserschutzgesetz den Eigenwert der Natur. Im Zweifel stellten Gerichte die Interessen des Menschen aber über die der Natur.

Die Frage, welcher Art Rechtsperson die Natur in Form von Klima, Luft, Wasser, Tieren, Pflanzen und Boden sein könnte, sei nicht einfach zu entscheiden, so die Einschätzung mehrerer Teilnehmer.

Ein Beispiel, wie Existenzrecht und Interessen der Natur als Verfassungsrang gesichert werden können, lieferte Andreas Gutmann aus Ecuador. So hält Artikel 71 der Verfassung des Andenstaates das “Recht der Natur” fest, “dass ihre Existenz, der Erhalt und die Regenerierung ihrer Lebenszyklen … umfassend respektiert werden”.

Für eine Gegenbewegung zum abendländischen Christentum als der “am stärksten anthropozentrischen Religion überhaupt” plädierte die evangelische Theologin Anne Käfer. “Sämtliche Kreaturen sind gleicherweise durch die Liebe Gottes gewürdigte Würdewesen.” Daraus folgten eigene Rechte der Natur. “Und dann steht etwa Lebensrecht des Tieres gegen die Forschungs- und Ernährungsfreiheit des Menschen.”