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Experte: Wie viel Wahrheit steckt im modernen Wikinger-Bild?

Die Serie “Vikings” oder Abenteuerfilme wie “Die Wikinger” prägen das Bild dieser frühen Skandinavier. Wie viel diese Vorstellungen mit der Realität zu tun haben, ist laut Forschern allerdings unklar.

Heutige Vorstellungen von Wikingern basieren hauptsächlich auf Filmen oder Videospielen und weniger auf historischen Erkenntnissen: Das zeigen Untersuchungen des Exzellenzclusters “Religion und Politik” der Universität Münster. Der Begriff “Wikinger” sei überwiegend positiv besetzt, sagte Skandinavist Roland Scheel am Dienstag. Negative Aspekte wie brutale Plünderungszüge der Wikinger spielen für die heutige Rezeption eine weniger prominente Rolle.

Verbreitet seien etwa Stereotype “des mutigen Entdeckers, starken Kriegers und Seefahrers”, sagte der Forscher. “Doch so klar ist das, was wir über diese Zeit wissen, nicht.” Auch einige Ausstellungen und Medienbeiträge beruhten auf sogenannter erinnerter Geschichte, also etwa Berichten christlicher Gelehrter im Hochmittelalter, die 100 Jahre nach der Wikingerzeit entstanden seien. Aus der Ursprungszeit seien außer kurzen Runeninschriften keine geschriebenen Texte erhalten.

Dieses Bild des skandinavischen Heidentums präge Identitäten bis heute, erklärte Scheel. “Ein Beispiel sind neuheidnische Gruppen, eine religiöse und kulturelle Strömung, die sich am vorchristlichen Heidentum orientiert und deren Anhänger in ihrer Selbstwahrnehmung das skandinavische Heidentum leben – oft in Abgrenzung zu monotheistischen Religionen wie dem Christentum.” Dagegen würden andere Phänomene des Mittelalters, beispielsweise die christlich motivierten Kreuzzüge, eher kritisch wahrgenommen.

Der Experte wies zudem auf politische Vereinnahmung hin: “Das prominenteste Negativbeispiel ist die Instrumentalisierung der nordischen Mythologie durch die völkische Bewegung und die Nationalsozialisten. Sie missbrauchten die mittelalterlichen Schriftquellen massiv zur Fundierung der Rasse-Ideologie.”

Nicht erst die Popkultur habe heutige Vorstellungen geprägt, fügte Skandinavist Simon Hauke hinzu. Schon die Uraufführung von Richard Wagners Oper “Der Ring des Nibelungen” (1876) habe auf eine betont feminine Figur der Walküre gesetzt, die sich in ähnlicher Form bis heute finde. Der eigentlichen Quellenlage entspreche dieses Bild aber nur bedingt. – Beide Forscher berichten ab Donnerstag auf der internationalen Tagung “Imaginationen des nordischen Heidentums” von ihren Erkenntnissen.