Jährlich nehmen sich Tausende Menschen in Deutschland das Leben. Fachleute mahnen zu besserer Vorbeugung. Auch bei der ausstehenden Regelung des assistierten Suizids sehen sie die Politik gefragt.
Pflegekräfte und Lehrkräfte sollten lernen, suizidale Absichten zu erkennen und damit umzugehen: Das betont der Geschäftsführer der Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen (VRK), Georg Hofmeister. “Wenn wir gezielt Menschen in Schlüsselpositionen befähigen, im alltäglichen Umgang mit betroffenen Menschen aktiv Unterstützung zu organisieren, können wir die Zahl der Suizide reduzieren”, sagte Hofmeister am Montag in Berlin. Er äußerte sich bei einem Fachtag zum Thema “Lebensperspektiven in der Krise”.
Oft seien Suizidgedanken “ein Schrei nach Hilfe in gefühlter Ausweglosigkeit”, so der Experte weiter. Betroffene bräuchten Menschen, “die hinschauen, zu hören und weiterführende Hilfe anbieten”.
Die Fachleute erneuerten zudem ihrer Forderung nach einer zentralen Informationsstelle mit einer einheitlichen Telefonnummer für Betroffene und deren Angehörige. Der Präsident des Malteser Hilfsdienstes, Georg Khevenhüller, kritisierte in diesem Zusammenhang Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): Es sei “unerklärlich”, warum noch kein Gesetzesvorschlage dazu vorliege. Im vergangenen Jahr hatte der Bundestag eine entsprechende Initiative bis Ende Juni 2024 angekündigt.
Ebenso sei die Rechtslage beim assistierten Suizid weiterhin unklar, bemängelte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. Derzeit würden ethische Grenzen überschritten. “Mit Präzedenzfällen wird versucht, Recht zu schaffen. Der Bundestag ist aber gefordert, ein Gesetz zu verabschieden.” Etwa kirchlichen Senioren- und Pflegeeinrichtungen müsse es erlaubt sein, kein Angebot für assistierten Suizid zu machen.
Jährlich nehmen sich in Deutschland mehr als 9.000 Menschen das Leben; das sind mehr Tote als durch Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag, illegale Drogen und Aids zusammen. 2022 war diese Zahl erstmals wieder auf über 10.000 Suizide gestiegen. Assistierte Suizide werden in der Statistik nicht gesondert ausgewiesen. Offen ist den Angaben zufolge, ob der Anstieg der Suizide durch Medikamente in den Jahren 2021 und 2022 gegenüber 2020 um 427 Fälle (42 Prozent) in Zusammenhang mit dem assistierten Suizid steht.