Für den ehemaligen Kirchenmusikdirektor aus Hamburg, Matthias Hoffmann-Borggrefe, hat die erste übergreifende Studie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche (ForuM) für Betroffene wenig verändert. „Mir sind finanzielle Wiedergutmachungsleistungen nicht angemessen. Sie nehmen nicht die Zerstörung der Seelen der Betroffenen in den Fokus“, sagte Hoffmann-Borggrefe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der 61-Jährige hatte in seiner Kirchenmusikausbildung selbst sexuelle Gewalt erlebt.
Hoffmann-Borggrefe ist bereits mit der Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs im Gespräch über Orte des spirituellen Trostes oder einen Gottesdienst für Betroffene. „Der Gottesdienst könnte der Seelsorge dienen, das ist ja etwas, was Kirche eigentlich sehr gut können müsste“, erklärte Hoffmann-Borggrefe. Konkrete Vorhaben sind nach Angaben der Bischofskanzlei bislang aber noch nicht geplant.
Der Hannoveraner Bischof Ralf Meister regte kürzlich die Einführung eines Sonntags für Betroffene nach dem Vorbild der „Church of England“ an. Mit Texten und Gebeten sollen die Gemeinden für die Situation von Schutzbedürftigen sensibilisiert werden. „Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass Schutzbedürftige im Mittelpunkt der christlichen Botschaft stehen“, sagte Meister.
Hoffmann-Borggrefe begrüßte den Vorschlag. „Wenn die Kirche mal damit anfangen würde, einen Sonntag lang die Situation der Betroffenen zu thematisieren, wäre schon viel erreicht.“
Die von der Evangelischen Kirche in Deutschland in Auftrag gegeben ForuM-Studie war am 25. Januar 2024 veröffentlicht worden. Demnach waren zwischen 1946 bis 2020 bundesweit mindestens 2.225 Menschen von sexueller Gewalt in Kirche und Diakonie betroffen. Der Studie zufolge ist von 1.259 mutmaßlichen Tätern die Rede. Die Zahlen seien allerdings in einer „sehr selektiven Stichprobe“ ermittelt worden und bildeten keineswegs das Ausmaß sexualisierter Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie ab, hieß es damals.
Hoffmann-Borggrefe war 1984 in seiner Ausbildung zum Kirchenmusiker an der Robert-Schumann-Musikhochschule in Düsseldorf von seinem damaligen Professor vergewaltigt worden. Die Evangelische Kirche im Rheinland hatte den Fall 2011 anerkannt. Bis heute leide er an den Folgen, seit 13 Jahren mache er eine Traumatherapie, sagte Hoffmann-Borggrefe. „Aufgrund meiner psychischen Erkrankung bin ich mittlerweile schwerbehindert und kann nicht mehr arbeiten. Meine Seele ist unheilbar verwundet.“