Für mehr Tierwohl müssten aus Sicht des ehemaligen Bundesagrarministers Jochen Borchert (CDU) höhere Mehrwertsteuern oder zusätzliche Tierwohlabgaben erhoben werden. “Beides ist möglich, dazu gibt es Machbarkeitsstudien”, sagte Borchert im Interview der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Montag). Solange keine höheren Preise für tierische Produkte im Handel durchgesetzt werden könnten und es keine weitere staatliche Förderung gebe, “kann der Bauer nicht auf Haltungsformen umstellen, bei denen die Produktion teurer ist”, mahnte der Agrarexperte.
Einen Vorschlag für eine Tierwohlsteuer auf Fleisch in Höhe von 40 Cent pro Kilogramm gehörte unter anderem zu den Empfehlungen des 2019 einberufenen Kompetenzwerks Nutztierhaltung, dessen Vorsitzender Borchert ist. Das auch Borchert-Kommission genannte Gremium hat seine Tätigkeit im August vorerst für beendet erklärt, da im Entwurf des Bundeshaushalts für das kommende Jahr keine Ansätze für eine langfristige Finanzierung des tierwohlgerechten Umbaus der Landwirtschaft enthalten seien.
Im Interview wies Borchert zudem darauf hin, dass Landwirte für Umbaumaßnahmen eine gesicherte Finanzierung für mindestens 20 Jahre bräuchten. Der Haushaltsplan eines Jahres gebe “keine verlässliche Sicherheit, denn im Jahr darauf kann der Haushalt geändert werden, und dann sind die Mittel zur Finanzierung weg”.
Gleichzeitig betonte Borchert, dass durch die Aufnahme von Tierschutz ins Grundgesetz auch gegen die konventionelle Tierhaltung geklagt werden könnte. Durch Gerichtsentscheide entstehe dann ein gehobener Mindeststandard. “Wenn nun dessen Einhaltung nicht gefördert wird, bedeutet es das Aus der Nutztierhaltung in den Bereichen, in denen es bereits Urteile gibt”, warnte Borchert. “Das wird dazu führen, dass wir den größten Teil der Nutztierhaltung in Deutschland aufgeben, weil wir nicht rechtzeitig politische Entscheidungen treffen, um den Umstieg zu finanzieren.” Die Bundesrepublik würde damit nur “das Tierleid in andere europäische Länder exportieren”, in denen es keine entsprechenden Schutzvorschriften gebe.