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Es werde Rock

In der Silvesternacht 1973 stellen sich fünf junge Männer auf die Bühne eines kleinen Clubs in Sydney. Die Band, erst wenige Wochen alt, begrüßt das neue Jahr mit einer ungezügelten Rock-Show. „Die Leute dachten, wir sind ein Haufen Verrückter“, wird Leadgitarrist Angus Young später auf jenen Abend zurückblicken, an dem AC/DC ihr erstes Konzert gaben und den Grundstein für eine Welt-Karriere legten.

Seitdem hat die Hardrock-Band mehr als 20 Alben veröffentlicht und über 200 Millionen Tonträger verkauft. Stücke wie „Hells Bells“, „Back in Black“, „TNT“ und „Thunderstruck“ gehören zum globalen Kanon des Rock. Zuletzt trat die Band im Oktober beim Powertrip-Festival in Kalifornien auf, nach mehrjähriger Pause. Angus Young, inzwischen 68, zappelt weiter in Schuluniform über die Bühne.

Der Name der Band – die englische Abkürzung für Gleichstrom/Wechselstrom – steht für das künstlerische Programm: energiegeladene Musik. „Die Songs sind emotional sehr direkt zugänglich und packen das Publikum unmittelbar“, sagt der Kunsthistoriker Jörg Scheller, Experte für Heavy Metal und Hardrock. Barocke Elemente gebe es bei AC/DC nur wenige, die Band setze auf ein Working-Class-Image.

Tatsächlich kommen die Bandgründer, die Brüder Angus und Malcolm Young, aus einer Arbeiterfamilie. 1963 wandern sie mit Eltern und Geschwistern von Schottland nach Australien aus. Die beiden lernen früh Gitarre, sind fasziniert von Blues, Boogie und Rock ’n’ Roll. Zum Mentor wird der ältere Bruder George Young, der 1966 mit seiner Band The Easybeats den internationalen Hit „Friday on my Mind“ landet.

Kurz nach ihrem ersten Auftritt treffen AC/DC eine wichtige Personalentscheidung: Sänger Dave Evans wird durch Bon Scott ersetzt, dessen raue Stimme für die Band prägend wird. 1975 erscheint die erste Platte: „High Voltage“ – Hochspannung. Es folgen wegweisende Alben wie „Let there be rock“ (Es werde Rock) und 1979 der internationale Durchbruch mit „Highway to Hell“.

Die Texte der Songs sind schlicht wie die eingängigen Gitarrenriffs. Es geht vor allem um Sex, Trinken und gute Laune. „Darin unterscheidet sich AC/DC nicht signifikant vom Schlager“, sagt Experte Scheller.

Zwischenzeitlich bringt die vermeintliche Höllen-Rhetorik von Liedern wie „Hells Bells“ der Band zwar Satanismusvorwürfe ultrafrommer Christen ein. „Diese Texte spielen aber nur mit Gesten und Symbolen“, erklärt Scheller. Im 21. Jahrhundert habe man begriffen, dass AC/DC und andere Hardrock- und Metalbands gar keine Ideologie verfechten. „Sie sind weltanschaulich entkernt.“

Sex, Drugs and Rock n’ Roll: Sänger Bon Scott kostet diesen Rockstar-Traum aus. Er lebt exzessiv, bis er 1980 nach einer durchzechten Nacht im Schlaf an seinem eigenen Erbrochenen erstickt. Für die Band ein schwerer Rückschlag – aber Nachfolger Brian Johnson, ein kerniger Typ mit Schiebermütze, überzeugt die Fans: „Back in Black“, das erste Album mit dem neuen Sänger, verkauft sich bis heute 50 Millionen Mal, mehr als jede andere Hardrock-Platte.

Trotz ihres weltumspannenden Star-Status geben sich die Musiker stets bescheiden: „Wir sind einfach fünf Typen, die gerne zusammen ein bisschen Musik machen“ (Johnson). Bodenständigkeit ist das Markenzeichen. Jörg Scheller weist auf die Widersprüche dieses Selbstverständnisses hin: „Ehrlichkeit und Authentizität gibt es im Pop nicht per se – das sind alles Inszenierungen“, sagt der Professor an der Zürcher Hochschule der Künste. „Bei AC/DC könnte man von einer ‘ehrlichen Inszenierung’ oder einer ‘authentischen Illusion’ sprechen.“

AC/DC sei zwar eine Ware – aber als solche zeichne sie sich durch starke Kontinuität aus, führt Scheller aus. „Das hat etwas Widerständiges, denn wir leben in einer Zeit, in der wir aufgerufen sind, uns ständig zu verändern.“ AC/DC stehe quer zum Pop, etwa zu Figuren wie Madonna, die sich immer wieder neu erfinde.

Die Musik bleibt beständig, die personelle Zusammensetzung der Band aber verändert sich. Rhythmusgitarrist und Songschreiber Malcolm Young scheidet 2014 wegen einer Demenzerkrankung aus und stirbt drei Jahre später, ersetzt wird er von seinem Neffen Stevie Young. Der mehrjährige Ausfall von Brian Johnson, der einen Hörverlust erleidet, führt 2016 zu einem Gastspiel von Guns-n’-Roses-Sänger Axl Rose. Das bislang letzte Album „Power Up“ erscheint 2020 – und landet in mehreren Ländern auf Platz eins der Charts.

Für 2024 werden mehrere Konzerte der Band erwartet, unter anderem in München, wie Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kürzlich ausplauderte. Spekuliert wird sogar über eine Welttournee. Für den Hardrock-Fachmann Jörg Scheller würde die Band damit das richtige Signal setzen. „AC/DC sollte weitertouren bis zum bitteren Ende“, sagt der Kunstwissenschaftler: „Ein guter Rockmusiker stirbt auf der Bühne vor seinem Publikum.“