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Erzbischof rechnet bei Messe mit argentinischem Präsident Milei ab

Das “Te Deum” ist in Argentinien traditionell die Gelegenheit für den Erzbistum von Buenos Aires, sich zu gesellschaftlichen Entwicklungen zu äußern. Meist kritisch und mit politischer Prominenz in der ersten Reihe.

Es gibt angenehmere Termine im Kalender der argentinischen Regierung als der traditionelle Gottesdienst “Te Deum” am “Tag des Vaterlandes” (25. Mai). Denn in der Regel nutzt der dann amtierende Erzbischof von Buenos Aires die Gelegenheit zu einer Art Generalabrechnung mit den Politikern in der ersten Reihe. Die linksperonistische Ex-Präsidentin Cristina Kirchner (2007-2015) blieb dem Gottesdienst jahrelang fern, denn sie wollte sich die Kritik des damaligen Erzbischofs von Buenos Aires, Jorge Bergoglio, nicht aus nächster Nähe anhören.

Erst nachdem Bergoglio im März 2013 zu Papst Franziskus wurde, drehte sich die Einstellung von Kirchner zu Bergoglio um 180 Grad und fortan reiste die argentinische Präsidentin zu allen Papstbesuchen in Lateinamerika, um in der ersten Reihe zu sitzen.

Argentiniens marktradikaler Präsident Javier Milei stellte sich am Sonntag dagegen der Kritik der Kirche und nahm ganz vorne Platz. Mit prominenter Besetzung war die aktuelle argentinische Regierung vertreten. Dabei sorgte Milei für einen kleinen Eklat, weil er weder den konservativen Hauptstadt-Regierungschef Jorge Marci, noch die eigene Vizepräsidentin Victoria Villarruel per Handschlag begrüßte. Die Erklärung folgte später via Social Media: “Rom bezahlt seine Verräter nicht”, ließ Milei wissen.

Und genau diese Umgangsformen, aber auch vieles mehr, nahm sich Erzbischof Jorge Garcia Cuerva am Sonntag in seiner Predigt vor. “Argentinien blutet”, lautete der Kernsatz des Kirchenführers. Es müsse Schluss sein damit, sich “im Schlamm der Diskreditierungen, des Hasses und der Gewalt herumzuwälzen”, so Garcia Cuerva. Er sprach vom “Terrorismus in den Sozialen Netzwerken”.

Auch zu einer aktuellen sozialen Frage nahm der Erzbischof Stellung: “Wie lange müssen die Rentner noch für eine angemessene Rente kämpfen”, fragte er und spielte damit auf die Mittwochsdemonstrationen an, bei denen die Rentner in Buenos Aires für würdige Renten demonstrieren. “Unsere Kinder verdienen es, dass wir ihnen ein geheiltes Land hinterlassen, ein versöhntes Land, ein Land, das aufrecht steht und Perspektiven hat; wir dürfen sie nicht enttäuschen”, mahnte der Leiter des Hauptstadt-Erzbistums.

Gleich zu Beginn seiner Predigt hatte Garcia Cuerva den Ton gesetzt. “Die Brüderlichkeit stirbt, die Toleranz stirbt, der Respekt stirbt; und wenn diese Werte sterben, stirbt ein Stück Zukunft, sterben die Hoffnungen auf ein vereintes Argentinien, auf eine Heimat der Brüder”, warnte der Erzbischof.

Die Regierungsvertreter reagierten zurückhaltend auf die Kritik. Kabinettschef Guillermo Francos zeigte sich gegenüber der Zeitung “La Nacion” aber auch selbstkritisch. Die Rede sei angemessen gewesen: “Er hat Dinge angesprochen, Themen, die alle Teile der Gesellschaft sehen.” Außenminister Gerardo Werthein stellte sich derweil hinter das bewusste Ignorieren Mileis gegenüber Jorge Macri und Vizepräsidentin Villarruel: “Aus Verpflichtung jemanden zu begrüßen, der in böser Absicht gehandelt hat, ist weder realistisch noch fair. Aufrichtig zu sein bedeutet auch, Grenzen zu setzen.”

Milei hatte durch harte Kürzungen und eine Liberalisierung der Wirtschaft die hohe Inflation binnen eines Jahres auf 2,8 Prozent gedrückt und die Wachstumsraten auf zuletzt 5,7 Prozent steigern können. Zudem sank auch die zunächst unter Milei gestiegene Armutsrate und der Staatshaushalt schrieb erstmals seit vielen Jahren wieder Schwarze Zahlen. Harte Kritik gibt es aber an Kürzungen von Sozialausgaben, die zu wöchentlichen Demonstrationen der Rentner führen. Auch Einsparungen im Bereich der Menschenrechtspolitik sorgen für Proteste. Dabei kommt es auch immer wieder zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Zuletzt wurden Dutzende Menschen verletzt und ein Fotograf verhaftet.