Predigttext
16 Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. 17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. 18 Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Am 27. März 1983 wurde ich in der evangelisch-reformierten Kirche in Bad Meinberg getauft. Eine Taufkerze gab es damals noch nicht, im reformierten Lippe schon gar nicht. Taufsprüche waren gerade im Kommen, ob ich einen bekommen habe, weiß ich nicht, auf jeden Fall hat ihn niemand notiert. Meine Eltern waren dabei, Onkels, Tanten, Großeltern und die Uroma. Fotos aus dem Gottesdienst gibt es nicht, nur von der Feier danach. Ich sitze auf dem Schoß von allen Gästen, der Reihe nach, und ich bilde mir natürlich ein, dass man sehen kann: Ich bin gerade frisch getauft worden.
Natürlich kann man das nicht sehen. Eigene Erinnerungen habe ich nicht, eine Urkunde zeugt von diesem Tag, die Fotos der Feier und die Speisekarte, die meine Eltern ins Fotoalbum geklebt haben. Es gab Medaillons, Gemüse und Kroketten. Und Pfirsich Melba zum Nachtisch. Natürlich nicht für mich, ich war ja gerade drei Monate alt geworden.
Taufe kann ganz alltäglich aussehen
So alltäglich kommen Taufen daher, und wie meine Geschichte mit der Kirche weitergehen würde, das war mir nicht klar – und meinen Eltern und Paten sicher auch nicht. So alltäglich kommen Taufen daher, gebunden an Orte, Personen, Geschmäcker und Gerüche.
Im Kleinen Katechismus erklärt Martin Luther: „Wasser tut‘s freilich nicht, sondern das Wort Gottes, das mit und bei dem Wasser ist, und der Glaube, der solchem Worte Gottes im Wasser traut.“ Da berühren sich wirklich Himmel und Erde, das ewige Leben und der irdische Alltag. Das Wasser auf der Stirn, der nasse Mensch, der wache Blick der Täuferin oder des Täufers – und die Worte Jesu.
Gott ist für einen Moment zu packen
Da lässt sich Gott, der uns oft so rätselhaft und verborgen ist, für einen Moment packen, da lässt sich Gott beim Wort nehmen: Du bist meine geliebte Tochter, du bist mein geliebter Sohn. An dir habe ich Wohlgefallen.
Bei Taufen werden die ersten Verse des Predigttexts oft ausgelassen. Wie schade! In der Einleitung seht nämlich etwas Wichtiges: Einige aber zweifelten. Und doch spricht Jesus auch mit ihnen. Den Auftrag für die Jüngerinnen und Jünger, den Auftrag für die Kirche, Jesus gibt ihn nicht nur den Frommen und den Gläubigen. Der Auftrag gilt für die Zweifler ebenso! Es spielt also keine Rolle, wie wir unser Leben aus der Taufe leben und gestalten, wie groß oder klein unser Glaube ist. Im Glauben und im Zweifel haben wir Teil an der einen Taufe und dem einen Auftrag.
Ich träume von einer Kirche, die aus der Taufe lebt. Und diese Kirche erzählt Geschichten von Taufen. Wie war das, als Sie getauft wurden? Wann und wo, und wer war dabei? Was gab es zu essen, zu trinken, wie lief das ab? Ihre ganz eigene Geschichte und Gottes große Geschichte begegnen sich, an einem bestimmten Tag, an einem bestimmten Ort, im Wasser.
Wir erzählen Geschichten von der Taufe, weil sie durchs ganze Leben trägt. Was mir am 27. März 1983 passiert ist, zieht mich hinein in das Leben von Jesus von Nazareth, in Kreuz und Auferstehung. Sie vereint mich mit Jüngerinnen und Jüngern in Zeit und Raum: mit Philippus und dem Kämmerer aus Äthiopien, der zog seine Straße fröhlich, mit Paulus und seinen Leuten, mit den Kirchenmüttern und -vätern mit Katharina und Martin Luther, mit Brüdern und Schwestern in Tansania, mit Freunden zu Hause in Lippe und zu Hause in Schweden, mit kleinen Kindern und alten Menschen, mit Katholiken, Orthodoxen und Freikirchlern.
Für unsere Gemeinden wünsche ich mir, dass wir großzügig und freimütig zur Taufe einladen. Dass wir fröhliche Taufen feiern. Dass wir unsere Ordnungen nochmal anschauen, wo sie noch einladender werden können. Dass wir der Taufe etwas zutrauen, auch für die Menschen, die wir taufen und die dann ihre Lebensstraße anderswo fröhlich weiterziehen. Dass wir wie Jesus auch in den Zweifelnden Gott am Werk sehen.