“Sie hat dieses Spiel als Kapitalismuskritik entworfen – und letztendlich ist sie dann auch nur wieder ein Opfer des Kapitalismus geworden.” Das sagt die Historikerin Leonie Schöler über Elizabeth Magie Phillips. Sie erfand vor über hundert Jahren die Grundlage für das überaus erfolgreiche Brettspiel “Monopoly” – und wurde um dessen Erfolg betrogen. Die Doku “Gestohlener Ruhm. Elizabeth Magie Phillips und ‘Monopoly'”, die Arte am 6. März von 20.15 bis 20.55 Uhr – ebenso wie zahlreiche andere Dokumentar- und Spielfilme – zum Weltfrauentag (8. März) ausstrahlt, zeichnet einen besonders dreisten Fall von Ideenklau nach.
Um die vorletzte Jahrhundertwende erfand die in Washington D.C. lebende Feministin und Stenotypistin das antikapitalistische “Landlord’s Game”, damals noch unter ihrem Mädchennamen Elizabeth Magie: ein Spiel über den Immobilienmarkt, Mieten und Steuern. Als Anhängerin der Ideen des Ökonomen Henry George war Magie davon überzeugt, dass Landeigentum und Monopole die Ursache für Armut waren. Deshalb schuf sie zwei Spielvarianten: eine, die der heute bekannten weitgehend ähnelt, und eine, bei der Grundeigentum de facto aufgehoben ist.
Während bei der ersten Version ein Monopolist übrig bleibt, dem (fast) alles gehört, werden bei der Variante ohne Bodenspekulation die meisten Mitspieler immer wohlhabender. 1903 meldete Magie ein entsprechendes Patent an. Zwar verbreitete sich das “Landlord’s Game”, wurde aber, wie damals durchaus üblich, zumeist händisch kopiert – also zunächst kein kommerzieller Erfolg.
Charles Darrow hat selbst Schreibfehler von “Monopoly” kopiert
In den 1930er Jahren schließlich reklamierte der durch die Weltwirtschaftskrise arbeitslos gewordene Heizungsvertreter Charles Darrow die Spielidee für sich und verkaufte die bis in Schreibfehler hinein geklaute Variante als “Monopoly” an den Brettspielehersteller Parker Brothers. Es war dieselbe Firma, die 1909 Magies “Landlord’s Game” noch als zu komplex und politisch abgelehnt hatte.
Charles Darrow wurde als erster Spieleautor der Geschichte Millionär. Magie aber, die auf ihr geistiges Eigentum pochte, wurde mit 500 US-Dollar abgespeist. “Elizabeth Magie Phillips verschwindet aus der Geschichte, während das Spiel zum Welterfolg wird”, heißt es dazu lapidar im Off-Kommentar. Den verdienten Ruhm erhält sie erst posthum – durch eine Klage vor dem Supreme Court in den 1970er Jahren, die bestätigt: Magie hat “Monopoly” erfunden.
“Monopoly”-Doku mit Archiv-Aufnahmen und Interviews mit Historikerinnen
Diese empörende, schillernde und so viel über ihre Zeit erzählende Story skizzieren die Filmemacher Katja Runge und Henning van Lil zwar erwartbar, aber souverän. Mit Archiv-Aufnahmen, Interviews mit Historikerinnen und Spieleautorinnen sowie Recherchen in Atlantic City: Deren Straßennetz war das Vorbild für die US-amerikanische Version. Vor allem die Historikerin Judy Hubbard bringt mit ihrer so kundigen wie freundlichen Art Klarheit und Leichtigkeit in den Film.

Sogar gegenüber dem Betrüger Charles Darrow zeigt sie sich verständnisvoll: “Er war verzweifelt und hat sich diese Idee gekrallt. Er musste Geld verdienen, und das tat er dann so.” Viel weiter weg sein kann man nicht von Dogmatismus, wie er Feministinnen von Gegnern ja gerne mal unterstellt wird.
Besuch beim “Herrn der Spiele” bringt wenig Mehrwert
Nicht alle Gesprächspartner und Erzählstränge sind derart erhellend: So bringt etwa der Besuch beim “Herrn der Spiele”, einem italienischen Spiele-Sammler, wenig Mehrwert. Auch dass der Film erst spät zu seinem Erzählkern findet, irritiert. Dass die Schilderung der wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftspolitischen Umstände solch großen Raum einnimmt, ergibt freilich durchaus Sinn – bilden diese doch den Nährboden, auf dem ein derartiges Verbrechen überhaupt erst möglich wird.
Ein unerhörter, mit Blick in die Historie aber leider auch nicht völlig ungewöhnlicher Fall: Ein zweiter Doku-Teil, der direkt im Anschluss ausgestrahlt wird, spielt nur wenige Jahrzehnte später. Er befasst sich mit Rosalind Franklin und deren Grundlagenforschung zur DNA. 1962 erhielten zwei Männer für ihre auf Franklins Ergebnissen basierenden Entdeckungen den Medizin-Nobelpreis.