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Elektronische Patientenakte: Das Ende der Zettelwirtschaft

Ab Januar 2025 steht die elektronische Patientenakte für 70 Millionen gesetzlich Versicherte mit allen ihren relevanten Gesundheitsdokumenten bereit. Ein wahrer Quantensprung der Digitalisierung.

Ab 2025 archiviert die elektronischen Patientenakte (ePA) alle ärztlichen Befunde
Ab 2025 archiviert die elektronischen Patientenakte (ePA) alle ärztlichen BefundeImago / Dreamstime

Laborwerte, Röntgenbilder, Arztbriefe, Befunde, Medikationspläne, Impfausweis und der Mutterpass: All das soll ab Januar nach und nach in der elektronischen Patientenakte (ePA) archiviert und damit für Kliniken und Arztpraxen schnell zugänglich werden. Doch ob die ePA ein Gewinn für die Patientenversorgung wird, hängt vor allem davon ab, wie gut sie technisch umgesetzt wird. Und davon, dass möglichst viele Versicherte diese lebenslange Dokumentensammlung tatsächlich nutzen, denn sie können die E-Akte auch einfach ablehnen (Opt-out-Verfahren).

Mit der ePA sollen die bisher in Praxen und Krankenhäusern abgelegten Patientendaten zusammengetragen und sicher auf deutschen Servern gespeichert werden: ein digitaler Quantensprung und das Ende der Zettelwirtschaft. „Im Januar 2025 erhalten alle gesetzlich Krankenversicherte ohne deren Zutun eine ePA von ihrer Krankenkasse. Sie ermöglicht es ihnen und ihren behandelnden Ärzten ihre Gesundheitsdaten sicher zu verwalten“, teilte die AOK-Rheinland mit. Zukünftig werde es auch möglich sein, die elektronische Akte bequem auf dem Smartphone einzusehen. Die Nutzung sei freiwillig, betont die Kasse: „Wer keine ePA wünsche, kann einfach widersprechen.“

Elektronischen Patientenakte: Alle Befunde auf einen Blick

Noch nutzt erst weniger als ein Prozent der Versicherten die ePA. Im Bundesgesundheitsministerium preist man die Vorteile: „Statt einer Blattsammlung zu Hause oder einzelnen Befunden in den Softwaresystemen verschiedener Praxen stehen Ärztinnen und Ärzten sowie Versicherten die relevanten Informationen und Dokumente sicher und auf einen Blick zur Verfügung.“

Darin sieht der Landesvorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes, Wolfgang Ritter, große Chancen. Gleichzeitig unterstreicht er, dass alles von einer guten Funktionalität der ePA abhängt. Er erinnert an die Startschwierigkeiten mit dem E-Rezept: „Zeitweilig hatten Praxen mit Unterbrechungen der Telematikinfrastruktur zu kämpfen.“ Das habe oft einen Neustart des Praxissystems erforderlich gemacht – im durchgetakteten Praxisalltag führte das zu vielen Zeitverlusten. Zudem sei beim Start des E-Rezeptes viel Beratungsarbeit zu leisten gewesen, weil die Patienten über die Funktionalitäten nicht im Vorfeld aufgeklärt wurden. „Das darf sich nicht wiederholen.“

Informationskampagne zur elektronischen Patientenakte (ePA)
Informationskampagne zur elektronischen Patientenakte (ePA)Imago / Ardan Fuessmann

Zunächst wird die digitale Akte vier bis sechs Wochen lang in Franken, Hamburg und in Teilen Nordrhein-Westfalens erprobt. Verlaufen die Tests reibungslos, soll der bundesweite „Rollout“ erfolgen. Als Starttermin wird nach Informationen des Bundesministeriums für Gesundheit der 15. Februar 2025 angestrebt. Ab Anfang März 2025, so der Plan, wird sie deutschlandweit nutzbar – von 73 Millionen gesetzlich Versicherten. Die privaten Krankenversicherungen können ebenfalls eine ePA anbieten. Viele Anbieter bereiten das laut dem Bundesgesundheitsministerium gerade vor.

Gespeicherte Gesundheitsdaten: Kritik von Datenschützern

Wichtig zu wissen: „Die elektronische Patientenakte ersetzt nicht die Behandlungsdokumentation im Praxisverwaltungssystem“, teilt die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit. Ärztinnen und Ärzte seien verpflichtet, alle medizinisch relevanten Informationen für die Behandlung eines Patienten zeitnah in der Patientenakte festzuhalten – elektronisch oder auf Papier: „An dieser Pflicht ändert sich nichts.“

Kritik an dem künftigen Speichersystem kommt unter anderem von Datenschützern. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) monierte unter anderem den erforderlichen aktiven Widerspruch, wenn man die elektronische Patientenakte nicht nutzen will. Und: Der Gesetzgeber hätte Einschränkungen machen müssen, wenn es um besonders sensible Gesundheitsdaten geht wie Abtreibungen, HIV-Infektionen oder psychologische Gutachten. Diese sollten nicht automatisch gespeichert werden.

Fachleute warnen zudem, dass bestimmte gespeicherte Gesundheitsdaten zu Stigmatisierungen führen könnten, wie etwa Diagnosen von HIV, psychischen Erkrankungen oder Suchterkrankungen. Zwar ließen sich diese Daten aus der ePA heraushalten. Dennoch könnten bestimmte Medikamente auf der Medikamentenliste Rückschlüsse auf diese Krankheiten zulassen. Die Verbraucherzentrale Bundesverband befürchtet, dass es zu Datenlecks und Cyberangriffen kommen kann. So könnten sensible Gesundheitsdaten in falsche Hände geraten.