„Als ich aufgewachsen bin, gab es keine schwarzen Superhelden“, erinnert sich Nando Nkrumah. Auch schwarze Lego- oder Playmobil-Männchen vermisste er als dunkelhäutiges Kind in Deutschland. „Ich musste meine Superhelden selbst erfinden.“ Als Student an der Kunsthochschule für Medien Köln schuf er schließlich mit den ghanaischen Geschichten um den legendären Priester Komfo Anokye einen Superhelden, der aus der Vergangenheit in die Zukunft reist. Eine feine Bleistiftzeichnung von 2007 zeigt die Figur in einem fantastischen Gewand in tänzerischer Haltung.
Die „Sankofiction Concept Drawings and Paintings“ rund um Komfo Anokye seien Grundlage gewesen für alles, was folgte, erklärt der Kölner Künstler, der 1979 in Ghana geboren wurde und in Deutschland aufwuchs. Das Max Ernst Museum in Brühl zeigt ab Freitag unter dem Titel „Heute schon Morgen“ Werke aus verschiedenen Schaffensphasen, die Vergangenheit und Zukunft verbinden. Zu sehen sind bis zum 3. November Zeichnungen, Druckgrafiken, Ölgemälde und eine Videoarbeit. Hinzu kommen audiovisuelle Arbeiten sowie eine Skulptur, die auch als wandfüllender 3D-Scan zu sehen ist.
Nkrumah ist für seine ortsspezifischen Arbeiten in Museen oder an Denkmälern bekannt, mit denen er koloniale Strukturen offenlegt. Im Rahmen der Diskussion um die Restitution von Kulturgütern und die koloniale Vergangenheit Deutschlands hätten einige Museen erkannt, dass sie dort eine Leerstelle in ihrer Sammlung haben, sagt Nkrumah. Hier sei er oftmals dazu eingeladen worden, diese Lücke durch künstlerische Interventionen zu füllen. Die Ausstellung im Max Ernst Museum hingegen schaffe nun einen eigenen Raum, um seine Arbeiten als Teil der Sammlung zu begreifen.
Nkrumahs Arbeiten gehen über das Stadium von Offenlegung und Anprangerung von Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen hinaus. Vielmehr begibt der Künstler sich auf die Suche nach positiven Gegenentwürfen für die Zukunft. „Es geht um positive Stimmen, es geht um Utopien, die genauso berechtigt sind wie dystopische Zeichen am Horizont“, erklärt Nkrumah.
Kunst dient dabei auch als Heilmittel. So stieß Nkrumah im Rahmen einer Arbeit im ethnologischen Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln auf eine Fotografie aus der Kolonialzeit, die eine schlafende Mutter und ihr Kind in Südafrika zeigt. Beide liegen auf einer Matte und haben den Kopf auf einen Holzbalken gebettet. Nkrumah schuf daraus einen 3D-Video-Loop, in dem er die beiden Figuren als goldfarben glänzende Skulptur erscheinen lässt.
Als echte Skulptur gestaltete er eine goldfarben besprühte Ton-Figur einer ruhenden schwarzen Frau. Als 3D-Scan projizierte er sie auch in eine wandfüllende utopische Landschaft. „Der Horizont steht mit seiner Skulptur, dem Wasser und rot-braunen Ton für Erneuerung und Leben“, erklärt Nkrumah das Bild. „Wenn wir an die Effekte von kolonialen und kapitalistischen Kontinuitäten denken, dann sind die gemeinsamen Merkmale die Ausbeutung und die Zwänge, in Systemen funktionieren zu müssen, die uns als Individuen nicht guttun. Sie bedrohen die Gesundheit aller Lebensformen auf der Erde.“
Dem stellt Nkrumah die innere Ruhe und das Modell des gemeinsamen Träumens einer besseren Zukunft entgegen. Dazu malte oder zeichnete er zehn Porträts dunkelhäutiger Menschen. Interviews, in denen die Porträtierten über ihre Träume und Wünsche sprechen, sind in der Ausstellung zu hören. „Ich wünsche mir mehr Liebe. Also einmal Liebe für mich selber, dass ich die spüren kann, aber auch, dass ich sie geben kann“, sagt zum Beispiel Lena, systemische Beraterin und Traumabegleiterin, die Nkrumah mit einer Blume in der Hand malte.
„Mein Wunsch für die Zukunft ist sehr positiv“, erklärt der Kölner Küchenchef Kojo, der sich für interkulturellen Austausch engagiert. Er wünsche sich, dass jeder die Hilfe bekomme, die er brauche, um das Beste aus sich machen zu können.
Mit seinen Arbeiten wolle er die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung dazu anregen, darüber nachzudenken, was ihre eigenen Wünsche für die Zukunft sind und wie sie realisiert werden könnten, sagt Nkrumah. Seine Gedanken sowie Hintergründe zu den einzelnen Werken vermittelt der Künstler auf einer Mikrosite, die Teil der Ausstellung ist. Sie ist auch über die Website des Max Ernst Museums zugänglich und präsentiert die Werke sowie auch die Interviews zu der Porträtserie.
„Heute schon Morgen“ ist die erste Ausstellung in der neuen Reihe „New Perspectives“ im neu geschaffenen Leonora-Carrington-Saal des Max Ernst Museums. Dort sollen künftig zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler dazu eingeladen werden, neue Perspektiven auf den Surrealismus zu eröffnen.