Wolken – das ist ihr Metier. Schon als Kind war sie begeistert von den weißen oder grauen Schwaden, Häufchen oder eben Wetterphänomenen. Wolken hat sie jetzt genügend: am Hohen Sonnblick in den Hohen Tauern in den Alpen Österreichs. Auf dem Gipfel in 3.106 Metern gibt es an etwa 200 Tagen im Jahr Nebel und Wolken. Geradezu ideal für die Klimaforscherin Elke Ludewig.
Sie ist Chefin des Sonnblick-Observatoriums, einer der ältesten Forschungsstationen im Hochgebirge. Außerdem mag sie Kälte. Bevor sie vor knapp zehn Jahren auf den Hohen Sonnblick kam, leitete sie in der Antarktis das meteorologische Observatorium der Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts.
Forscherin Elke Ludewig will keine Abenteurerin sein
Extreme Kälte, tobende Stürme, Blizzards: Antarktis und Hoher Sonnblick sind gleichermaßen gefährliche und faszinierende Orte. “Eine Abenteurerin bin ich allerdings nicht”, erklärt die Meteorologin. Der Hohe Sonnblick biete eben hervorragende Forschungsbedingungen. Seit 1886 wird dort oben das Wetter Tag für Tag beobachtet, gemessen und akribisch aufgezeichnet. Daten aus 139 Jahren, Zahlen-Kolonnen von unschätzbarem Wert. “Ich bin mit Herzblut bei der Sache”, sagt die 38-Jährige.

Ludewig hat dort internationale Forschungsreihen aufgebaut und die Station stärker in die Weltorganisation für Meteorologie sowie in europäische Forschungsinfrastrukturen eingebunden. Von Aerosolen bis zu Treibhausgasen, von Fledermäusen bis Meteoriten und Sonnenstürmen: Auf dem Sonnblick wird in über 40 Projekten an 365 Tagen rund um die Uhr vom Boden bis zum Weltraum die Welt vermessen; also das Erdsystem mit seinen geowissenschaftlich relevanten Sphären.
Und die Messdaten lügen nicht. Die Erderwärmung schreitet voran, Extremwetterereignisse nehmen zu: Sturzfluten, Hochwasser, Schlamm- und Geröll-Lawinen. Die weltweiten Nachrichten sind voll davon. Ludewig analysiert mit wissenschaftlicher Präzision und erklärt: “Der Einfluss des Klimawandels auf Extremwetter ist nicht mehr zu leugnen”. Die Systeme “könnten kippen”. Im Grunde meint sie: werden kippen. Auch andere Fachleute sprechen von “Kipppunkten”. Das klingt etwas weniger bedrohlich als vom “Klimakollaps” zu sprechen.
Klimawandel: Inselstaat Tuvalu könnte bald versinken
Nicht wenige Menschen verzweifeln schier bei diesem Stichwort: Seit mehr als 100 Jahren liegen Daten vor, lassen sich Trends eindeutig bestätigen. “Die Gesellschaft verdrängt einfach. Erst wenn Menschen direkt und persönlich betroffen sind, ändert sich das Bewusstsein”, sagt die Forscherin. Und das könnte durchaus zu spät sein. Der Inselstaat Tuvalu könnte bald versinken, doch er ist vielleicht zu weit weg. Will Europa warten, bis das Wattenmeer oder Venedig untergehen?
Auch die höchsten Regionen der Erde sind vom Klimawandel betroffen – sogar noch stärker. Die einst mächtigen Eiskappen der Alpen schwinden. Schon heute erreichen die Gletscher der Alpen nur noch etwa die Hälfte ihrer einstigen Ausdehnung. Ursächlich dafür ist die globale Erderwärmung. Wissenschaftlern zufolge steigt die Temperatur in Gletscherregionen doppelt so schnell an wie im weltweiten Durchschnitt.
Das Sonnblick-Observatorium liefert insofern schonungslos Daten. Auf über 3.000 Metern steigen die Temperaturen rasant an. Ein Wärmejahr jagt inzwischen das andere. Auch das Goldbergkees, über dem das Sonnblick-Observatorium majestätisch thront, schmilzt dahin. Ludewig spricht von ein oder zwei Jahrzehnten. Man könnte meinen, die Station, die der Bergbauingenieur Ignaz Rojacher 1886 auf dem Gipfel errichten ließ, wirkt mit ihrem dunkelroten Anstrich wie eine Warnlampe. Und sie sendet an vielen Tagen klimatechnisch gesehen SOS.
Elke Ludewig will keine Schwarzmalerin sein
Elke Ludewig ist aber keine Schwarzmalerin. Sie entdeckt “viele positive Trends in der Gesellschaft, die zur Änderung des Verhaltens führen”. Diese will sie verstärken: “Nachhaltig denken und handeln, darauf kommt es an.” Lokale Lebensmittel konsumieren, um Transportwege zu reduzieren, den Verkehr und den Energieverbrauch auf alternative Energiequellen umstellen und erneuerbare Energien nutzen. Und, so ein weiterer Appell: “nicht schweigen”, Lösungen kommunizieren, “am besten selbst ein Vorbild und offen für Neues sein”. Diese Maßnahmen verfolge sie intensiv.