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“Eine Chemotherapie kann man nicht aus Umweltgründen lassen”

Umweltverschmutzungen können krank machen – aber das Gesundheitswesen trägt umgekehrt auch zum Klimawandel bei. Der Internistenkongress empfiehlt auf seiner Jahrestagung gezielte Maßnahmen. Nicht jedes MRT sei notwendig.

Mehr pflanzliche Ernährung in Krankenhauskantinen oder umweltfreundliche Hausarztpraxen: Ärzte und Umweltexperten fordern gezielte Maßnahmen im Gesundheitssystem, um das Klima nachhaltig zu schützen und gleichzeitig die Gesundheit der Patienten zu verbessern.

“Nur in gesunder Umwelt können wir auch gesunde Menschen sein”, sagte Hausärztin Susanne Balzer vom Ressort Klimaschutz und Gesundheit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) am Montag in Wiesbaden. Die Internisten beschäftigten sich auf ihrer Jahrestagung mit dem Thema “Klimakrise und Gesundheit”. Der Klimawandel mache krank; das Gesundheitswesen trage aber gleichzeitig auch zu dessen Fortschreiten bei.

Deshalb müsse es darum gehen, eine Unter- und Überversorgung gleichermaßen zu verhindern, so die Ärztin. Bei Medizin, Medizinprozeduren, Ernährung und Mobilität gebe es viele Stellschrauben, an denen man drehen könne. Nicht jedes verordnete MRT sei notwendig. “Aber eine Chemotherapie kann man nicht aus Umweltgründen lassen”, sagte Balzer.

Nach Angaben des katholischen Krankenhausverbandes seien 30 bis 35 Milliarden Euro notwendig, um das Gesundheitswesen klimafreundlich aufzustellen. “Dies muss politischer Wille werden”, sagte Balzer. Im Jahr 2024 würden immer noch Krankenhausgebäude ohne Wärmepumpe und Solaranlage gebaut. Das Gesundheitswesen sei zwar ein Mitverursacher des Klimawandels, gleichzeitig aber auch verletzlich. “Die derzeitigen Krankenhäuser sind nicht hitzeresilient, Patienten werden dort nicht gesunden”, so Balzer.

Agrarökonom Hermann Lotze-Campen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sagte: “Wie sich Gesellschaften global und national ernähren, hat enorme ökologische Auswirkungen.” 13 Prozent der Treibhausgasemissionen würden in Deutschland durch die Ernährung verursacht. Der Wissenschaftler empfahl, in Großkantinen in Krankenhäusern oder Seniorenheimen pflanzenbasierte Nahrung bevorzugt anzubieten.

“Eigentlich sollten alle Orte, an denen wir uns ernähren, so umgestaltet werden”, sagte er. Zudem hätten Ärzte und Krankenhäuser sehr viel Kontakt zu Patienten; es mache Sinn, bei der Behandlung auch entsprechende Ernährungsempfehlungen für die Gesundheit miteinfließen zu lassen. Präventiv sei es auch sinnvoll, Schulgärten einzurichten, um frühzeitig in der Kindheit den Bezug zu Obst und Gemüse herzustellen.

Der Nephrologe Jan Galle wies darauf hin, dass bei fortdauernder Erwärmung die Zahl chronisch nierenkranker Menschen zunehmen werde. Gleichzeitig sei aber die Behandlung von Nierenkranken sehr ressourcenbelastend. “Für eine Dialyse-Behandlung braucht es 150 Liter Wasser”, so Galle. Gleichzeitig werde etwa auch viel Einwegmaterial benötigt. “Wir sollten unseren C02-Fußabdruck in der Nierenersatztherapie verbessern”, sagte Galle. “Natürlich dürfen Patienten aber nicht schlechter behandelt werden.”

Onkologe Andreas Neubauer erklärte: “Menschen, die in Regionen leben, wo mehr Grünflächen vorhanden sind, erkranken zu 12 bis 15 Prozent seltener an Krebs.” Eine aktuelle Studie habe gezeigt, dass Feinstaub-Partikel entzündliche Prozesse triggern, welche wiederum mutierte Zellen ‘aufwecken’ und zur Teilung anregen. Dies habe “das Verständnis der Entstehung von Lungenkrebs bei Nichtrauchern grundlegend vorangebracht”, so Neubauer.