Die großen Diktatoren: War ihre Zeit mit dem 20. Jahrhundert vorbei – oder waren sie nur Vorgänger derer, die das 21. Jahrhundert bereithält? Enver Hodscha war ein großer Fieser in einem kleinen Land.
Er brach mit allen, da ihm nach Stalins Tod niemand mehr stalinistisch genug war: mit Jugoslawien, mit der Sowjetunion und mit China. Er wollte den “ersten atheistischen Staat der Welt” schaffen – und führte sein Land in die völlige Isolation. Bis heute ist Albanien – immerhin inzwischen Geheimtipp für Touristen – eines der Armenhäuser Europas; eine terra incognita fast, auch mehr als drei Jahrzehnte nach dem Untergang des Kommunismus.
Enver Hodscha (1908-1985) war Albaniens Alleinherrscher in den Jahrzehnten des Kalten Krieges. Von dem schier grenzenlosen Personenkult, der ihn einst umgab, ist heute, 40 Jahre nach seinem Tod am 11. April 1985, kaum etwas übrig.
Albanien war seit jeher ein Spielball der Geschichte: Byzanz, Rom, Venedig, Neapel, Serbien, Bulgarien, die Osmanen, Italien, Nazi-Deutschland: Zu jeder Zeit zerrten immer neue Mächte an jenem Landstrich, der kaum je Land sein durfte, sondern meist nur Interessen- oder Aufmarschgebiet. Auch die Jahre der vermeintlichen “nationalen Wiedergeburt”, die kurzlebige albanische Republik der 1920er Jahre und die Monarchie unter dem autokratischen König Zogu überlebten nicht die Wirren des Zweiten Weltkriegs. Dafür schlug 1944 die Stunde der kommunistischen “Befreiungsfront” und ihres Anführers Enver Hodscha.
Seinen linken Schliff hatte sich der Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers (oder Apothekers) aus Südalbanien in den 30er Jahren im Westen geholt – während der Studienjahre in Montpellier, Paris und Brüssel. Seine feine Frankophonie ließ ihn auf dem politischen Parkett des beginnenden Kalten Krieges als Mann von Welt und also als einen leidlich vernünftigen Staatsmann erscheinen. Gleichzeitig arbeitete Hodscha als Regierungschef eines unabhängigen Albanien bereits tatkräftig daran, alle Brücken nach Westen abzureißen und mit knallharter Hand “durchzuregieren”.
Niemals scheute der Parteichef davor zurück, alte Freunde und Verbündete der eigenen Macht zu opfern. Säuberungsaktionen waren in Albanien an der Tagesordnung. Und auch den Bruch mit sozialistischen Bruderstaaten vollzog Hodscha scheinbar nach Belieben: Mit seinem jugoslawischen Waffenbruder aus der Partisanenzeit, Josip Tito, überwarf er sich unter anderem in der Kosovo-Frage. Die Entstalinisierung unter dem sowjetischen Parteichef Nikita Chruschtschow – und dessen neues Hegemoniestreben gegenüber Albanien – machte Hodscha nicht mit und wandte sich Anfang der 60er Jahre Peking zu.
In einer Abwandlung der chinesischen Kulturrevolution verbot die – schon früher stark kirchenfeindliche – KP Albaniens 1967 sämtliche “religiöse Propaganda” und proklamierte einen “atheistischen Staat”. Die Kirchen und Moscheen des Landes wurden zumeist niedergerissen oder aber zweckentfremdet, die Geistlichkeit eingesperrt oder getötet. Und Peking lieferte nicht nur ideologisch Munition nach Tirana: Bis zum Untergang des Kommunismus basierte die dürftige albanische Volkswirtschaft auf jenem minderwertigen industriellen Material, mit dem das maoistische China erstmals einen Fuß nach Europa setzte.
Dessen ungeachtet: Auch die Tage des chinesisch-albanischen Schulterschlusses waren schnell gezählt, als Peking Ende der 70er Jahre auf vorsichtige politische Fühlung mit den USA ging. Doch eine Abkehr von der “reinen Lehre” war mit dem letzten Stalinisten Europas im 20. Jahrhundert nicht zu machen.
Es war der letzte der vielen großen Brüche, die Enver Hodscha für sein Land vollzog. Seit 1978 versank Albanien in der totalen Isolation. Schlagzeilen machte lediglich ein “Shoot-Out”, der sich im Dezember 1981 unter nie geklärten Umständen in Tirana abspielte. War es ein Suizid, eine Liquidierung? Ein klassisches Revolverduell gar zwischen zwei alten Kontrahenten um die Macht im Staate? Am Ende jedenfalls lag der Weggefährte und langjährige Ministerpräsident Mehmet Schehu in seinem eigenen Blut – und Enver Hodscha konnte bis zu seinem Tod durch Herzversagen am 11. April 1985 regieren.
Jahrzehnten eines ungebremsten Enver-Kultes folgte nach 1990 eine “damnatio memoriae” nach klassisch-römischer Art: Vom Friedhof der Kriegshelden wurde Hodscha in ein Reihengrab auf dem “Städtischen” umgebettet. Das Hodscha-Museum in Tirana ist heute Kulturzentrum.