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Alkoholkonsum: Dunkle Tage begünstigen die Sucht

Lange Winterabende und Festtage steigern den Alkoholkonsum. Suchtberaterin Ganguin warnt vor Gewöhnung und rät zu bewusster Abstinenz.

Dunkle Wintertage und Festtagsstress fördern Alkoholkonsum
Dunkle Wintertage und Festtagsstress fördern Alkoholkonsumepd-bild/Paul-Philipp Braun

Die Tage immer dunkler, die Nächte immer länger: Da greifen viele Menschen in Deutschland gern zu alkoholischen Getränken. Einsamkeit an langen Abenden, ein Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt, der Festtagsbraten an den Feiertagen oder die Party an Silvester erhöhen ebenfalls den Alkoholkonsum. Die allgemeine Trinkfreudigkeit hat jedoch ihre Kehrseite: die Gefahr der Abhängigkeit. Suchtberaterin Diana Ganguin von der Diakonie in Hannover rät deshalb dazu, maßzuhalten und den Alkohol häufiger mal wegzulassen.

Ab wann ist eine Person alkoholabhängig?

Aus Sicht von Diana Ganguin geht es dabei im Kern um die Frage: „Hast Du den Alkohol im Griff oder hat er Dich im Griff?“ Wenn ein Mensch ständig an Alkohol denkt und darüber nachgrübelt, wann er endlich wieder etwas trinken kann, sollten die Alarmglocken schrillen. Ein weiteres Anzeichen ist der Kontrollverlust – wenn jemand sich etwa vornimmt, abends nur ein Bier zu trinken, und es werden es trotzdem vier. Gefährlich ist es auch, Alkohol zu trinken, um selbstbewusster oder lockerer zu werden. Wer das tut, wird die dafür benötigten Promille immer weiter in die Höhe treiben.

Richtig ernst wird es, wenn ein Mensch aufgrund von Alkohol seine Interessen und Hobbys wie Sport, Familienausflüge oder Treffen mit Freunden sowie Routinen wie Aufräumen, Hygiene und Post vernachlässigt. Oder wenn er weitertrinkt, obwohl er bereits den Führerschein verloren hat oder bei der Arbeit, in der Familie oder vom Arzt vor der Sucht gewarnt wurde.

Wie viele Menschen sind alkoholsüchtig?

Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen hatten im Jahr 2024 in Deutschland insgesamt 3,9 Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren eine alkoholbezogene Störung. Rund 8,6 Millionen Erwachsene gaben an, im letzten Monat Alkohol in riskanten Mengen getrunken zu haben. 9,5 Millionen Personen konsumierten an mindestens einem der letzten 30 Tage fünf oder mehr alkoholische Getränke – Fachleute nennen das episodisches Rauschtrinken. Nach Schätzungen hat etwa ein Fünftel der deutschen Bevölkerung ein problematisches Trinkverhalten.

Kann Dunkelheit eine Alkoholsucht begünstigen?

Einen direkten Zusammenhang gibt es nicht. Allerdings spielt die dunkle Jahreszeit eine indirekte Rolle, weil sie den Konsum von Alkohol begünstigt. „Depressive Verstimmungen nehmen zu“, sagt Ganguin. „Die Menschen sind nicht mehr so viel unterwegs und ziehen sich in ihre eigenen vier Wände zurück.“

Suchtberaterin Diana Ganguin vom Diakonischen Werk Hannover
Suchtberaterin Diana Ganguin vom Diakonischen Werk Hannoverepd-bild/Diakonisches Werk Hannover

In den skandinavischen Ländern mit ihren langen Wintern wird Alkohol deshalb hoch besteuert. Eine große Rolle spielt Einsamkeit, die im Winter schwerer zu ertragen ist als im Sommer. Auch Familienstreit oder Perfektionsdruck zu Weihnachten können zu verstärktem Trinkverhalten führen.

„Dry January“: Was bringen Zeiten der Abstinenz?

Für Diana Ganguin bieten solche Zeiten die Chance, die eigenen Trinkgewohnheiten zu hinterfragen: „Ich kann überprüfen, wie viel Einfluss der Alkohol auf mein Leben hat und wie leicht es mir fällt, mal eine Zeit lang nichts zu trinken.“ Für die Leber, für den Schlaf und ganz allgemein für den Körper ist es aus ihrer Sicht wichtig, immer mal wieder auf Alkohol zu verzichten. „Meist merkt man nach ein paar Wochen schon körperliche Veränderungen. Zum Beispiel, dass man erholsamer schläft und sich besser konzentrieren kann.“ Für die Gesundheit ist es am besten, gar keinen Alkohol zu trinken.

Was sollten suchtgefährdete Personen tun?

Am besten den Kontakt zu einer Suchtberatungsstelle oder zum Hausarzt aufnehmen, sagt Ganguin. Suchtberatungsstellen bieten in der Regel auch zusätzliche anonyme Online-Beratungen an, bei denen sich Betroffene bei Unsicherheiten einen ersten Rat holen können. Auch Selbsthilfegruppen können ein erster Schritt sein.

In den deutschen Krankenhäusern wurden 2023 nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren mehr als 232.000 Behandlungsfälle wegen Alkoholmissbrauch oder einer Alkohol-Abhängigkeit gezählt. Das war die fünfthäufigste Hauptdiagnose. Rund 169.000 Patienten waren Männer und 62.000 Frauen. Im Jahr 2021 starben in Deutschland rund 47.500 Menschen aufgrund ihres hohen Alkoholkonsums.

Sind ein Glas Wein oder eine Flasche Bier schon gefährlich?

Nach den neusten Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation WHO eindeutig ja. „Jeglicher Alkoholkonsum ist gesundheitsgefährdend“, betont Diana Ganguin. „Es gibt keinen gesunden oder risikoarmen Konsum.“ Nicht jeder rutscht gleich in eine Sucht hinein. Wer häufig Alkohol trinkt, sollte seinen Konsum aber unter Beobachtung halten, denn Missbrauch und Abhängigkeit beginnen fast immer mit Gewöhnung.