Hamburg. Ein schmuckloser, rechteckiger Kasten ohne Turm – mehr nicht. Hannelore Dengel zeigt auf die Zeichnung in dem dicken Ordner, der auf ihrem Schoß liegt. „Damit fing alles an“, sagt die 72-Jährige und schüttelt den Kopf, als wenn sie das selbst kaum glauben könnte. Denn die heutige Franz-von-Assisi-Kirche in Neuallermöhe am Grachtenplatz hat mit dem Entwurf von 1982 nichts gemein. Keine Spur von dem markanten, 40 Meter hohen Turm, genauso wenig von dem Dach, das an eine Schildkröte erinnert, oder von dem geschwungenen Kirchraum, in dem Dengel jetzt sitzt, den Ordner durchblättert und die vergangenen Jahrzehnte Revue passieren lässt. Der schmucklose Kasten wurde erst nach langer Diskussion abgelehnt.
Am Mittwoch, 3. Oktober, feiert die Franz-von-Assisi-Kirche ihr 25-jähriges Bestehen, 1993 wurde sie eingeweiht. Damit ist sie Hamburgs jüngste Kirche überhaupt. „Gerade deshalb können wir froh sein, dass sie kein nichtssagender Kastenbau geworden ist, von denen es so viele gibt, sondern wirklich einzigartig“, sagt Gwen Bryde, Pastorin in der Gemeinde Bergedorfer Marschen. Sie sitzt neben Hannelore Dengel und betrachtet die alten Entwürfe. „Ich erlebe immer wieder, dass Passanten neugierig die Kirche betreten und darüber staunen, wie schön und hell es hier ist.“
Kein Selbstläufer
Trotzdem war der Kirchenbau in seiner heutigen Form alles andere als ein Selbstläufer. Als in den 1980er-Jahren die Wohnsiedlung Neuallermöhe-Ost gebaut wurde, stand zwar außer Frage, dass der Stadtteil eine Kirche braucht – die Form war aber umstritten. Der damalige Kirchenkreis Alt-Hamburg favorisierte den schnörkellosen Kasten, der Gemeindepastor Andreas Stökl (1939-2006) dagegen einen repräsentativen Bau samt Gemeindezentrum. „Stökl hat viele Jahre für die Franz-von-Assisi-Kirche gekämpft, und deshalb ist diese Kirche sein Werk“, erzählt Dengel. Bei dem Tauziehen zwischen Kirchenleitung und Pastor war lange nicht abzusehen, wer sich durchsetzt.
„Wir als Gemeinde standen hinter Stökl. Uns ging es auch darum, als Kirche im Stadtteil sichtbar zu sein“, sagt die 72-Jährige. Ein Gebäude, das kaum als Kirche zu erkennen sei, hätte das schlecht gewährleisten können. Außerdem habe der Pastor die Gemeindemitglieder in die Planungen einbezogen. Letztlich setzte Stökl sich durch. „Ein Kirche, die die Gemeinde nicht will, hätte auch keinen Sinn gemacht“, findet Dengel.
1991 wurde der Grundstein gelegt, die Pläne für den Bau lieferte Architekt Nils Roderjan. Die Gemeindearbeit lief da längst: Ab 1986 hielt ein Bauwagen als Büro und Unterrichtsraum für Konfirmanden her, Gottesdienste fanden in einem provisorischen, lilafarbenen Pavillon statt, der eigentlich ein Kindergarten war. „Ein Tisch mit Decke und Kreuz – das war unser Altar“, beschreibt Dengel.
Stühle statt Bänke
Seitdem hat das Gotteshaus das Gemeindeleben grundlegend verändert. Schließlich treffen sich hier auch Senioren-, Literatur-, Gebetskreise und Chorgruppen, dazu kommen verschiedene Veranstaltungen. „Die Kirche schafft auf jeden Fall Identifikation“, ist Pastorin Bryde überzeugt. Und sie kommt bis heute an: Etwa 90 Menschen würden die Gottesdienste besuchen. Dazu trägt sicherlich auch die Gestaltung des Kirchenraums bei: Große Fenster sorgen für eine freundliche Atmosphäre, statt auf Bänken nehmen die Besucher auf Stühlen Platz.
Am Mittwoch, 3. Oktober, dem – in evangelischen Kirchen – Festtag des Franz von Assisi, lädt die Gemeinde ab 18 Uhr zum Geburtstag mit Gottesdienst und anschließender Feier ein. Das Motto lautet: „An der Gemeinde bauen“. Bryde erklärt: „Wir bauen immer weiter, vor allem im Gemeindegarten.“ Bauen heiße aber auch einfach: geistig beweglich bleiben.