Licht- und Schattenspiele der Blätter beleben die Platanen-Allee, ein Gartenteich ruht inmitten üppiger Sträucher, dahinter fällt der Blick auf ein herrschaftliches Landhaus. Leise dringen noch Baugeräusche heraus: Nach jahrelanger Renovierung kann der Jas de Bouffan, viele Jahre lang Zuhause und Schaffensort des Malers Paul Cézanne, ab dem 28. Juni wieder besucht werden. Zu seinen Lebzeiten (1839 bis 1906) wurde Cézanne von der Kunstwelt seiner Heimatstadt Aix-en-Provence vehement abgelehnt. Heute lobt man ihn als Vater der Moderne; seine Bilder sind Millionen wert.
2017 beschloss die Stadt, den Jas de Bouffan und den fünf Hektar großen idyllischen Garten zu restaurieren und dort ein Cézanne-Besucher- und Forschungszentrum zu eröffnen. Die endgültige Fertigstellung ist für 2026/27 geplant.
Als 20-Jähriger zog der Künstler mit seinen Eltern in das Landhaus ein, für rund 40 Jahre blieb es im Familienbesitz. Hier malte er im „Grand Salon“ seine ersten großen Wandbilder – die nach seinem Tod abgetragen wurden. Während der Renovierungen wurden nun frühe und bisher unbekannte Original-Fragmente auf der Wand entdeckt. Besucher können Zeuge werden, wie diese Stück für Stück freigelegt werden. Immer wieder stellte Cézanne seine Staffelei auch im Park unter Bäumen auf, damals noch Kastanien, um die Farben und Formen der Umgebung einzufangen.
Aix-en-Provence feiert den Maler in diesem Jahr außerdem mit einer Ausstellung im städtischen Musée Granet: „Cézanne au Jas de Bouffan“. Zu sehen sind mehr als 130 Originale Cézannes, darunter 80 weltberühmte Ölgemälde wie „Die Kartenspieler“ (Musée d’Orsay) oder „Das Haus in Aix“ (Nationalgalerie Prag). Verbindendes Element: Alle Bilder entstanden während Cézannes Schaffenszeit im Jas de Bouffan, in das er immer wieder aus Paris zurückkehrte. Das Haus sei bis zum Verkauf aus Geldnot im Jahr 1899 quasi sein „Kreativ-Studio“ gewesen und wichtig, um sein Werk zu verstehen, erklärt Museumsdirektor Bruno Ely.
Die Herausforderung bestand darin, dass fast alle Originale weltweit verstreut und aus Museen in Paris, Zürich, Bern, New York, Chicago, Los Angeles, Prag, Cambridge und anderen Häusern geliehen werden mussten. Denn der einstige Direktor des Kunstmuseums von Aix-en-Provence soll nach Cézannes Tod geschworen haben, keines seiner Bilder in seine Sammlung aufzunehmen: Cézanne war mit seiner Kunst seiner Zeit voraus.
Die aktuelle Schau veranschaulicht den Weg vom Naturalismus über den Impressionismus bis zu Cézannes ureigenen Stil mit modernen kubistischen Elementen. Stets war der Künstler auf der Suche nach einer eigenen Balance von Farbe und Form.
„Wir hier in Aix haben nicht alle Gemälde von Cézanne. Aber wir haben die Landschaften, die ihn so faszinierten und wo seine Bilder entstanden“, sagt Géraldine Fridrici vom Tourismusbüro Aix-en-Provence. Dazu gehören die stillgelegten historischen Steinbrüche von Bibémus auf halbem Weg zwischen der Stadt und dem Kalksandstein-Gebirgszug Montagne Sainte-Victoire. Schon die Römer sollen das Gestein zum Bau der Stadt verwendet haben, ebenso wie Jahrhunderte später die Bauherren der herrschaftlichen Stadtpalais.
Diese „Hôtels particuliers“ zieren noch immer die Prachtstraße von Aix-en-Provence, den Courts Mirabeau, und sorgen mit ihrem Gelbton dafür, dass die Stadt selbst bei Regenwetter warm leuchtet. Im 19. Jahrhundert wurde der Abbau eingestellt, weil das poröse Kalkgestein einfach zu schnell erodierte.
Vor allem in seinen letzten zehn Lebensjahren sei Cézanne oft zum Malen hierhergekommen, berichtet Elodie Marie, die als Guide durch den mittlerweile unter Schutz stehenden Steinbruch führt. „Nicht nur die Ruhe und die Kindheitserinnerung an die Ausflüge mit seinem Freund Émile Zola zogen ihn hierher. Sondern vor allem dieses besondere Licht des Südens, das Grün der Pinien und das Schimmern des ockerfarbenen Steins darin.“
Durch den Steinbruch führt ein idyllischer Naturpfad. Ein besonderer Ort ist die Holzplattform mit den als Gemälde berühmt gewordenen „roten Felsen“ direkt davor. Oder auch die alte Steinhütte, in der der Künstler seine Malsachen lagerte und manchmal sogar übernachtete. „Cézanne war einer der ersten, die mit der Leinwand und Farben auf dem Rücken in der Natur unterwegs waren“, sagt Elodie Marie.
„Kunst ist eine Harmonie parallel zur Natur“, zitiert sie auf der Tour durch die Steinbrüche eine seiner Überzeugungen. „Er übte ständig, war Perfektionist, er wollte verstehen. Ob bei einem Stillleben oder in der freien Natur, er wollte malen, bis er das ‚Mark‘ eines Motivs extrahiert hatte.“
Sein Lieblingsmotiv war ein Berg: 87 Mal malte Cézanne den Mont Sainte-Victoire. Im Garten des Jas de Bouffan entstand vermutlich das erste Bild des Gebirgszugs und seiner prägenden Spitze. Der gesamte Gebirgszug erstreckt sich etwa 15 km östlich der Stadt und prägt das Landschaftsbild. Im Rahmen des Cézanne-Jahres kann man auch ihn entdecken, etwa auf eigene Faust bei einer Radtour durch die provenzalische Landschaft oder einer Wanderung. Paul Cézanne starb am 22. Oktober 1906 in seiner Heimatstadt Aix an den Folgen einer Lungenentzündung, die er sich beim Malen in der Natur zugezogen hatte.