Ein bisschen aufgeregt sei sie schon, gibt Sophie Ghorbal zu. „Aber vor allem freue ich mich.“ Dazu hat die 15-Jährige allen Grund. Denn sie sitzt schon auf gepackten Koffern, um zu den Olympischen Jugendwinterspielen in Südkorea zu fliegen, die am Freitag beginnen. Dort vertritt sie zusammen mit zwei weiteren Jugendlichen Tunesien im Monobob, als einzige Afrikaner in dieser Disziplin und als erste Tunesier bei Olympischen Winterspielen überhaupt.
Dass Tunesien bei den Spielen vom 19. Januar bis 1. Februar in Gangwon gleich mit drei Sportlern vertreten ist, ist eine echte Überraschung. Weder Sophie noch die beiden anderen – die 15-jährige Beya Mokrani und der 17-jährige, in Schweden lebende Jonathan Lourimi – saßen bis vor anderthalb Jahren je in einem Bob. Heute kämpfen sie um eine Medaille. „Ich bin in den Winterferien Ski gefahren und habe Handball gespielt, das war alles“, erzählt die Deutsch-Tunesierin Sophie, die in Tunis lebt.
So begann Sophies Bob-Karriere
Dann entdeckte ihre Freundin Beya eine Anzeige auf Facebook: Südkorea, wo 2018 die Winterspiele der Erwachsenen stattgefunden hatten, organisierte ein Camp für Jugendliche aus afrikanischen Ländern, in denen bis jetzt kein Wintersport betrieben wurde. Das Tunesische Olympische Komitee suchte Interessierte. Die beiden Mädchen meldeten sich an und flogen im Sommer 2022 zum ersten Mal nach Südkorea. Snowboarden, Langlauf, Eisschnelllauf und alle möglichen anderen Sportarten konnten sie in den Wettkampfstätten von 2018 ausprobieren. Sie landeten schnell beim Bob, wo die Konkurrenz nicht so groß war. Den Sport kannten sie bis daher nur aus dem Fernsehen.

„Am Anfang war das halt so ein kleines Projekt. Ich hätte nie gedacht, dass sie anderthalb Jahre später für Tunesien bei den Olympischen Spielen startet“, schüttelt Sophies Mutter Carolin Ghorbal den Kopf. „Das ist unglaublich“, meint auch Ihab Ayed voller Stolz. Er ist eigentlich Vorsitzender des tunesischen Eishockey-Verbandes, hat das Projekt aber von tunesischer Seite aus koordiniert und das junge Team betreut, weil er der einzige Sportverantwortliche des Landes ist, der irgendwas mit Wintersport zu tun hat. Sophie sei unglaublich konzentriert und willensstark, lobt er.
Um sich zu qualifizieren, mussten die jungen Athleten in zwei Saisons auf mindestens drei verschiedenen Strecken acht fehlerfreie Läufe absolvieren. Sie gingen unter anderem im norwegischen Lillehammer, in Innsbruck oder im US-amerikanischen Lake Placid an den Start. „Diese Bahn ist ganz schön schwierig, das ist wirklich Rock’n’roll“, sagt Ihab Ayed. Um sich daran zu gewöhnen, können die jungen Athletinnen und Athleten unten in der Bahn einsteigen und sich erst langsam zum eigentlichen Startpunkt hocharbeiten. „Manche brauchen dafür zwei, drei Jahre. Sophie hat es nach fünf Tagen geschafft.“
Niemand nahm Sophie ernst
Am Anfang habe sie niemand ernst genommen, erzählt die Jugendliche. „Das kann ja jeder, habe ich in Tunesien immer mal wieder gehört.“ Bis ihr Umfeld Videos von den Läufen gesehen habe, wo sie mit mehr als 110 Stundenkilometern die Bahn heruntersaust. Auch die Schule unterstütze sie, obwohl sie seit Beginn des Programms mehr als fünf Monate im Ausland bei Training und Wettbewerben verbracht hat. International hat sich das tunesische Team Respekt erarbeitet, obwohl es am Anfang belächelt wurde. „Und dann haben sie gesehen, wie wir uns hochgearbeitet und in so kurzer Zeit quasi das gleiche Niveau wie die anderen erreicht haben.“
Die Bedingungen für die Jugendlichen sind nicht leicht, denn in Tunesien gibt es keinerlei Infrastruktur für Wintersport. In ihrer Heimat können Sophie Ghorbal und Beya Mokrani nur Technik und Ausdauer, aber nicht im Eiskanal trainieren. Noch werden die Bobs für die Jugendlichen vom internationalen Verband gestellt, doch bald brauchen sie ihr eigenes Material, wenn sie ihren Sport weiter ausüben wollen. Ohne Partner und Sponsoren wird dies kaum möglich sein.
Streit kurz vor der Abreise
Kurz vor Abreise hat eine Auseinandersetzung zwischen dem Tunesischen Olympischen Komitee und Koordinator Ihab Ayed für Aufregung gesorgt. Er sei ohne Erklärung aus der Delegation ausgeschlossen, wirft der Betreuer dem Tunesische Olympische Komitee vor. Das Komitee wollte keine Stellungnahme abgeben.
Sophie Ghorbal versucht, sich auf den Wettkampf am kommenden Montag zu konzentrieren. Eine Medaille wäre natürlich das höchste, aber das wichtigste sei, sich „über die Teilnahme zu freuen, mich zu verbessern und kleine Fehler, die ich früher gemacht habe, dieses Mal nicht mehr zu machen“.