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Die Walküre im Gebüsch

Aus dem Gebüsch kommt die Walküre. Also, um genau zu sein: Da singt eine Amsel. Was sie singt, sind die ersten Töne des Walkürenritts aus der Oper von Richard Wagner. Lupenrein. Und weil ein liebestolles Amselmännchen so einiges an Inbrunst in seinen Gesang legen kann, klingen die Töne tatsächlich ziemlich theatralisch.

Das wirft ein neues Licht auf die Musikgeschichte. Bisher hielt man Wagner für den Meister des „Leitmotivs“, einer Art musikalischen Mottos für die Figuren und Ereignisse einer Oper: eines für den Helden Siegfried, eins für sein Schwert; eins für den Göttervater Wotan, eins für den machtvollen Ring des Nibelungen und so weiter – dem Komponisten schienen die Ideen nicht auszugehen.

Jetzt jedoch stellt sich die Frage: Alles nur geklaut? Hat Wagner sich, statt im Studierzimmer über seiner Partitur zu brüten, vielleicht einfach nur auf eine sonnige Frühlingswiese gelegt und die Melodien aufgeschrieben, die die Vögel ihm ins Ohr flöteten? Und haben es ihm etwa andere große Meister gleichgetan – Beethoven, Mozart, ja, sogar der große Bach? Vielleicht hat die Amsel im Gebüsch da gerade einen der größten Copyright-Skandale der Weltgeschichte aufgedeckt?
Meine Tochter nimmt mir die Hoffnung auf eine musikwissenschaftliche Sensation. Das Walküren-Motiv, so erfahre ich, ist ein beliebter Handy-Klingelton – und liebestolle Amselmännchen übernehmen gerne Klingeltöne in ihr Gesangsrepertoire, um Weibchen damit zu beeindrucken.

Hat also vielmehr die Amsel bei Wagner geklaut? Wer weiß das schon. Fest steht: Gottes Schöpfung ist voll Musik. In diesem Sinn einen schönen Sonntag Kantate.