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„Die Ohren Gottes“

Die Kirchen würdigen die Arbeit der Telefonseelsorge. 60 Jahre nach der Gründung sei ihre Arbeit notwendiger denn je

AACHEN – Diakoniepräsident Ulrich Lilie hat zu einer positiven Haltung auch in Zeiten von Sorgen und Nöten aufgerufen. „Menschen schüren Hass, führen Kriege immer wieder – und es wird trotzdem Sommer“, sagte Lilie in einem ökumenischen Festgottesdienst zum 60-jährigen Bestehen der Telefonseelsorge im Aachener Dom. Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode erklärte mit Blick auf die jüngsten Anschläge und Gewalttaten, Krisennetzwerke wie die Telefonseelsorge seien heute notwendiger denn je.
Lilie sagte, die Wahrnehmung von Schönheit und Heiterkeit müsse auch in schweren Zeiten geübt werden, „diszipliniert, jeden Tag, unabhängig von der Stimmung“. Das sei zuweilen Schwerstarbeit. Gerade Christen könnten üben, „dass Sorgen nicht die erste Reaktion auf unseren Alltag zu sein brauchen. Stattdessen: Beten, flehen, bitten und danken. In jeder Lage.“
Zugleich warnte Lilie vor erzwungenem Optimismus. „Es gibt eine uneinfühlsame Voreiligkeit des 'Alles wird gut', einen allzu gewissen 'Kopf hoch'-Optimismus auch in frommen Varianten, die sich dem Entsetzen, der Trauer, der Hilflosigkeit ihrer Mitmenschen verweigern“, sagte der Präsident des Diakonie-Bundesverbands. Er würdigte die Arbeit der ehrenamtlichen Telefonseelsorger. „Menschen sind die Ohren Gottes, wenn wir uns dem Leid der anderen nicht verschließen“, betonte Lilie.
1600 ehrenamtliche Telefonseelsorgerinnen und Telefonseelsorger aus 33 Ländern beschäftigen sich vom 19. bis 22. Juli in Aachen gemeinsam mit Psychologen, Soziologen und anderen Wissenschaftlern sowie Gastreferenten mit den Möglichkeiten zur Hilfe und Unterstützung von Menschen in suizidalen Krisen.
Allein in Deutschland sterben pro Jahr viermal mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle. Die Frage: „Wie können wir diesen Menschen helfen, damit es möglichst erst gar nicht zum Äußersten kommt?“ war eine der zentralen Fragen der Veranstaltung.
Auch die  Telefonseelsorgestellen der westfälischen Landeskirche waren vertreten. Der Weltkongress in Aachen war das bisher größte internationale Treffen von Telefonseelsorgerinnen und -seelsorgern. Ausgerichtet wurde er von der International Federation of Telephone Emergency Services (IFOTES), dem Dachverband der Telefonseelsorge. epd/bk