Laute Musik in einer Einsiedler-Klause? Noch dazu Jazz und Pop? Maria Anna Leenen, Diözesan-Eremitin im Bistum Osnabrück, steht dazu. Und sie hat jetzt sogar ein Buch geschrieben mit dem Titel „Musik meines Lebens“, mit dem sie gerade auf kleiner Lesetour ist. Die Bandbreite der 15 Stücke, die sie darin als wichtig für ihr Leben, ihren Lebensweg und ihren Glauben näher beleuchtet, reicht von der Bach-Kantate über Dave Brubecks „Take Five“ bis hin zum aktuellen Hit von LOTTE und Max Giesinger „Auf das, was da noch kommt“.
Schweigen heißt nicht, auf Musik zu verzichten
In den ersten Jahren ihres Eremitinnen-Daseins habe sie gedacht, dass sie auf Musik verzichten müsse, erzählt sie. Dass Schweigen und Stille vorherrschen sollten in ihrem einstigen Gesindehaus eines Bauernhofs rund 40 Kilometer nördlich von Osnabrück. Und natürlich ist ihr Alltag von Ruhe und Zurückgezogenheit, durch Gebet und Arbeit geprägt. Die 64-Jährige hat vor vielen Jahren vor dem Osnabrücker Bischof ein Gelübde zu Armut und Keuschheit, Gehorsam und Zurückgezogenheit abgelegt. Was sie und ihre Ziegenherde zum Leben brauchen, verdient sie mit dem Schreiben von Büchern und mit Vorträgen.
Ansonsten betet und meditiert sie. Aber eben manchmal mit Musik. Die habe sie irgendwann als Chance erkannt, sich selbst und auch andere besser zu verstehen. Und sie helfe ihr, Glaubenswahrheiten zu begreifen – „mit den Sinnen, mit dem Herzen, mit dem ganzen Mensch-Sein“, wie sie es ausdrückt. Diese Erfahrungen will sie weitergeben mit ihrem Buch.
Als sie etwa Adel Tawils Hit „Ist da jemand?“ zum ersten Mal hörte, habe sie das Lied sofort zurückversetzt in die Zeit, als Zweifel und Unsicherheit über ihren zukünftigen Weg sie fast erdrückt hätten. „Es fühlt sich an, als wärst du ganz alleine. Auf deinem Weg liegen riesengroße Steine. Und du weißt nicht, wohin du rennst“: So wie in diesen Textzeilen ist auch sie durch ihre Heimatstadt gerannt – nächtelang. Maria Anna Leenen hatte nämlich ein Leben vor dem Eremitinnendasein – „ein ziemlich wildes sogar“, wie sie bekennt.
Dann machte sie während eines Südamerika-Aufenthalts eine alles umstürzende innere Erfahrung, trat daraufhin in die katholische Kirche ein und ging auf die Suche nach Gott. Dabei bestätigte sich ihr die Weisheit, dass wer Gott suche, den suche, der schon längst bei ihm ist. Vieles davon klinge bei Tawil an, wenn er singe: „Da ist jemand, der dein Herz versteht und der mit dir bis ans Ende geht (…) Immer, wenn du es am meisten brauchst, dann ist da jemand.“
Auch in Mozarts „Jupitersinfonie“ hört die Eremitin den Lebensplan Gottes für sie. Und Beethovens „Pastorale“ hat sie nach eigenen Worten animiert, sich für die Schöpfung, für Klimaschutz und Nachhaltigkeit einzusetzen. Sie bekennt, dass sie zur „West Side Story“ in ihrer Einsiedelei gerne „herumhopst“ und bezieht sich auf den Kirchenlehrer Aurelius Augustinus (343-430), der gesagt haben soll: „Mensch lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen.“
Starke Spuren hat die Gruppe PUR mit ihrem Song „Freunde“ bei Leenen hinterlassen. „Ein Kronleuchter ist eine schlappe Funzel gegenüber den Lichtern, die mir dabei aufgingen“, schreibt sie. Sie habe den Text zur Meditation hergenommen und erst einmal alles auf Gott hin bezogen. Bei Zeilen wie „Es ist schön, dich zu kennen“ sei das noch gegangen, aber bei „Du hast in meinem Arm geweint, so manche Nacht mit mir durchträumt“ nun wirklich nicht mehr.
Dann aber seien in ihr Bilder von Menschen aufgetaucht, die sie einmal gut gekannt habe, mit denen sie den Kontakt als Einsiedlerin aber abgebrochen habe. Die Meditation habe ihre Sicht auf Freunde und Freundschaft verändert. Und zur Erkenntnis geführt: Ja, auch Einsiedlerinnen brauchen Freunde.