Frauke Brosius-Gersdorf hat genug: Die Juristin steht nicht mehr als Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht zur Verfügung. In ihrer Rückzugserklärung erhebt sie schwere Vorwürfe gegen die Unionsfraktion: Die CDU/CSU-Abgeordneten hätten ihr eine Haltung zu Abtreibungen angekreidet, die sich auch im Koalitionsvertrag finde. Der Evangelische Pressedienst (epd) erklärt, was dahintersteckt.
Was steht zu Abtreibungen im Koalitionsvertrag?
Nur vier Sätze: „Wir wollen Frauen, die ungewollt schwanger werden, in dieser sensiblen Lage umfassend unterstützen, um das ungeborene Leben bestmöglich zu schützen. Für Frauen in Konfliktsituationen wollen wir den Zugang zu medizinisch sicherer und wohnortnaher Versorgung ermöglichen. Wir erweitern dabei die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung über die heutigen Regelungen hinaus. Zudem werden wir die medizinische Weiterbildung stärken.“
Welche Meinung vertritt Brosius-Gersdorf?
Sie spricht sich dafür aus, dass der Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase der Schwangerschaft legalisiert wird. Im Juli sagte Brosius-Gersdorf in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“: „Nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts darf es eine Leistungspflicht bei Schwangerschaftsabbrüchen nur geben, wenn er rechtmäßig ist. Also geht auch der Koalitionsvertrag davon aus, dass Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase rechtmäßig ist. Das heißt: Im Ergebnis passt zwischen den Koalitionsvertrag und meine wissenschaftliche Position kein Blatt.“
Was ist die juristische Ausgangslage?
Laut dem Strafrechtsparagrafen 218 sind Abtreibungen in Deutschland verboten. Sie bleiben in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft straffrei, wenn die Schwangere sich vorab hat beraten lassen und dann eine Wartezeit von mindestens drei Tagen bis zu dem Eingriff vergangen ist. Wenn es medizinische Gründe für den Abbruch gibt oder die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung resultiert, entfällt die Beratungspflicht und bei medizinischer Indikation auch die Zwölf-Wochen-Regel. Der Abbruch ist dann ausdrücklich nicht rechtswidrig.
Was zahlen die gesetzlichen Krankenkassen?
Bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch, durchgeführt von einer Ärztin oder einem Arzt, besteht laut dem fünften Sozialgesetzbuch Anspruch auf Kostenübernahme. In allen anderen Fällen zahlen die Kassen nicht – das dürfen sie auch nicht, laut dem entscheidenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Abtreibungen aus dem Jahr 1993: „Der Rechtsstaat darf eine Tötungshandlung nur zum Gegenstand seiner Finanzierung machen, wenn sie rechtmäßig ist“, hieß es damals. Ein Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse für einen rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch wäre dem Gericht zufolge nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Deshalb folgern SPD-Politikerinnen – ähnlich wie Brosius-Gersdorf – aus dem Koalitionsvertrag, dass Paragraf 218 geändert werden muss, um Abbrüche in der frühen Schwangerschaft zu legalisieren.
Welche Möglichkeiten der Kostenübernahme gibt es noch?
Für Schwangere mit geringem Einkommen übernimmt das Bundesland, in dem sie leben, auf Antrag die Kosten, die meist zwischen 300 und 800 Euro liegen. Möglich ist dies bei einem Nettoeinkommen von maximal 1.500 Euro; für jedes unterhaltspflichtige Kind steigt dieser Wert um 356 Euro. Ein mögliches Partnereinkommen spielt keine Rolle. Der Antrag auf Kostenübernahme muss vor dem Eingriff über die Krankenkasse gestellt werden. Unionspolitikerinnen haben angeregt, die Einkommensgrenze heraufzusetzen. Dafür müsste der Paragraf 218 nicht angefasst werden.