Der quälende Prozess Jesu läuft beschleunigt durch die Instanzen, alles öffentlich. Die Gerichtsbarkeit des bedingt selbstständigen jüdischen Staates war für die inneren Angelegenheiten zuständig, der römischen Besatzungsmacht blieben politisch relevante Vergehen vorbehalten. Das führte auch dazu, dass als Todesart die römische Kreuzigung und nicht die jüdische Steinigung ausgeführt wurde. Die Römer waren nicht wirklich an religiösen Problemen interessiert, sondern wollten vor allem die östlichen Flanken des Reiches stabilisieren, denn der römischen „Friedensdiktatur“, der Pax Romana, drohte Gefahr aus dem Zweistromland.
Für die jüdischen Priester-Richter ging es um etwas anderes: „Bist du der Messias (der Gesalbte, der ,Kronprinz‘)?“, kommt der Hohepriester in 14,61 sofort zur Sache. Ähnlich in der zweiten Verfahrensstufe: Weil bei ihm die Messiasfrage nicht im Vordergrund stand, fragte Pilatus: „Bist du der König der Juden?“ Er ahnte nicht, dass auch für Christen der wiederkehrende Herr später ja nicht nur ein religiöser Erlöser, sondern der Herr der Welt sein würde.
Die offizielle, hohepriesterliche Frage ist für Jesus der Anlass, sein Schweigen zu brechen. Im turbulenten Lärm seit der Gefangennahme hatte das Reden keinen Platz, aber hier vor dem höchsten Gericht antwortet Jesus klar und eindeutig: „Ja, ich bin es!“ Da erübrigt es sich, umständlich über womöglich widersprechende Zeugenaussagen Indizien zu sammeln. Wie vor dem Statthalter verweigert sich Jesus an diesem zentralen Punkt nicht.
Große Geschichte vollzieht sich dabei immer auch in kleinen Einzelschicksalen wie bei Simon Petrus oder jenem Simon aus der Cyrenaika. Sogar dessen Söhne Rufus und Alexander werden erwähnt: Ihr kennt sie ja! Als die Kräfte Jesus verließen, kam dieser Simon unter das Kreuz.
Natürlich hat der andere Simon, Petrus also, seinen Herrn nicht selbst gefoltert, aber er hat zugeschaut und durch seine schweigende Neugier mitgewirkt und möglich gemacht, dass das Unheil seinen Lauf nehmen konnte. Beide Männer sind sehr persönlich in das Geschehen hineinverwoben und haben nicht zuletzt in den Schreckenszeiten der Nazis typische Nachfolger gefunden in denen, die durch ihre persönliche Feigheit in den alltäglichen Bewährungssituationen die Katastrophe nicht bremsten, und in denjenigen, die „das Kreuz trugen“, wortlos, aber tatkräftig, auch wenn sie dazu „gezwungen“ werden mussten.
Das Entsetzliche, Unmenschliche geschieht: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? schreit Jesus sterbend, ein Gebet (Psalm 22) der Passa-Liturgie.
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