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Die Bibel lesen

Woche vom 27. Dezember – 2. Januar 1. Sonntag n. Weihnachten: Psalm 118,15-29 Montag: Jesaja 52,13-53,5 Dienstag: Jesaja 53,6-12 Mittwoch: Jesaja 55,1-5 Silvester: Jesaja 55,6-13 Neujahr: Psalm 148 Samstag: Markus 1,1-8

Jüdische und natürlich auch christliche Theologen haben sich lange mit der Frage beschäftigt, wen sich Jesaja und seine Gemeinde damals unter dem Gottesknecht vorgestellt haben. Kyros kommt zumindest später dafür auf keinen Fall infrage. War es möglicherweise der Prophet selbst? Oder ist der Begriff „Gottesknecht“ gar eine Chiffre für das ganze Volk Israel und deutet bereits damals etwas von dessen langen und leidvollen Weg durch die Geschichte an? Für die Rückkehrer aus dem babylonischen Exil lag die Zukunft ja keineswegs rosig offen. Es ist auch nicht ganz sicher, in welcher Weise diese Jesajaworte damals „veröffentlicht“ wurden. Wurden sie vor Zuhörern gesprochen? Wurden sie vorgetragen oder gesungen, von einem Einzelnen oder von einem Chor? Und wie ging man damals und später mit der Schriftform um? Vielleicht müssen sich diese Varianten aber auch gar nicht ausschließen, sondern erschließen alle auf ihre Weise etwas von der Tiefe und Weite dieser prophetischen Verkündigung, die zudem ja in einer Umbruchzeit geschehen ist, vergleichbar den Erschütterungen von Weltkriegen oder auch aktuell durch den Syrienkrieg und die Gewalt, die er ausstrahlt.   

Wenn man am Ende des Jahres diese Jesajatexte überschaut, wird auch deutlich, wie anders die äußere und damit auch innere Situation durch die Eroberung Babels geworden ist. Die Kapitel 40-48 entstanden noch vor dem Fall dieser Machtmetropole. Die Kapitel 49-55 hingegen entstammen der Zeit danach. Zunächst stand der Trost zum Durchhalten im Vordergrund: Die Verbannten sollen frei werden. Aber später besteht der Trost darin, dass Gott selbst den Gottesknecht zum Licht für die Heidenvölker bestellt hat. Aus Verbannten sind Befreite geworden, die nun ermuntert werden, von ihrer Freiheit mutig Gebrauch zu machen. Gott hat sich den Verstoßenen wieder zugewandt und schließt einen neuen, unerschütterlichen Vertrag, einen neuen Bund, besiegelt ein Neues Testament! Zum Abschluss nimmt Deutero-Jesaja den Gedanken aus Kapitel 40 noch einmal auf: Jahwes Wort ist hoch über allem menschlichen Begreifen, aber es ist lebendig und wird nicht leer wieder zurückkommen, sondern kommt zum Ziel.
Gerade bei dem weltgeschichtlichen Wetterleuchten dieser Tage zeigt sich, wie „realitätstauglich“ diese prophetische Verkündigung ist. Sie verkriecht sich nicht in die häusliche Beschaulichkeit. Sie will und kann Frieden säen und Wege ebnen und Kraft geben für die Rückkehr aus der Verkrampfung der Angst in die Menschlichkeit. Weil Gott Mensch geworden ist, dürfen wir wieder zu Menschen werden.