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Deutscher Patriot und DDR-Revolutionär

Mal Stichwortgeber für Judenhass im Nationalsozialismus, mal sozialistischer Vorkämpfer: Eine Schau des Klostermuseums Dalheim beleuchtet, wie der Reformator Martin Luther in den letzten hundert Jahren genutzt und missbraucht wurde

Andreas Fischer

Luther in einem angeregten Tischgespräch mit einem Guerillero einer südamerikanischen Befreiungsbewegung. Das mehrere Meter große Tryptichon von dem DDR-Künstler Uwe Pfeifer aus dem Jahr 1983 ist Teil der Ausstellung „Luther. 1917 bis heute“, die derzeit im LWL-Museum für Klosterkultur in Lichtenau-Dalheim zu sehen ist. Nachdem die SED-Führung den Reformator lange Zeit als Reaktionär und „Fürstenknecht“ verfemt hatte, jubelte ihn die DDR zum 500. Luther-Geburtstag 1983 zum vorsozialistischen Revolutionär hoch.

Schau zum Jubiläum: 500 Jahre Reformation

Nur wenige Meter entfernt ist Luther auf einem Plakat vor einem Hakenkreuz postiert: „Hitlers Kampf und Luthers Lehr, des deutschen Volkes gute Wehr“. Besonders durch Luthers judenfeindliche Schriften wurde der Reformator auch als Gewährsmann für den nationalsozialistischen Antisemitismus herangezogen.
„Luther hat einen Prozess in Gang gesetzt, der die Welt verändert hat“, erklärt der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Matthias Löb. Die Schau zum 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017, laut Löb die größte in Westdeutschland, lege anders als viele andere Ausstellungen den Akzent darauf, wie sich das Lutherbild in den letzten hundert Jahren gewandelt hat. Immer wieder sei der Reformator dabei von Obrigkeiten vereinnahmt worden und seine Äußerungen in einen neuen politischen Zusammenhang gesetzt worden.
Mit 300 Exponaten auf 800 Quadratmetern führt die Ausstellung durch die jüngsten hundert Jahre der deutschen Geschichte, beginnend mit der 400-Jahr-Feier der Reformation im Kriegsjahr 1917 über die Zeit des Nationalsozialismus und das geteilte Deutschland bis in die Gegenwart. Die Schirmherrschaft hat Bundespräsident Joachim Gauck übernommen. Die Schau ist bis zum 12. November zu sehen.
Im Jahr 1917 stand das Reformationsjubiläum deutlich unter dem Einfluss des Ersten Weltkrieges. Auf einer Feldpostkarte ist ein Militärgeistlicher zu sehen, der die Soldaten segnet. Dazu wurde zur Stärkung des Patriotismus ein Vers Luthers gestellt: „Eine feste Burg ist unser Gott.“ Auch problematische Kapitel wie Luthers Schmähschriften gegen die Juden werden nicht ausgespart, wie Museumsdirektor Ingo Grabowsky erläutert. Luthers Äußerungen etwa in der Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ seien bis heute erschreckend. Trotz solcher bisweilen unbequemen Themen sei die Kooperation mit der Evangelischen Kirche von Westfalen sehr konstruktiv gewesen, lobte der Museumsdirektor.

Gute Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche

Die Ausstellung zeigt aber auch, wie sich Gegner des Nationalsozialismus wie der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer ebenso auf Luther beriefen. Zu sehen sind ausgewählte Schriftstücke und Plakate. Die Schau wird aber mit vielen Exponaten und moderner Video-Animation aufgelockert. So gibt es Murmeln zu sehen, mit denen Klein-Martin in seinem Elternhaus gespielt hat. Schlichtweg der „Hammer“ sei es, dass das Museum den sogenannten „Tetzelkasten“ präsentieren könne, berichtet Museumsdirektor Grabowsky. Das Exponat sei ja Auslöser der Reformation gewesen.
In der Truhe hütete der Ablassprediger Johann Tetzel (1465-1519) seine Einnahmen aus dem Ablasshandel, mit denen sich Gläubige von ihren Sünden freikaufen sollten. Im Jahr 1517 brandmarkte Luther in seinen 95 Thesen diesen Ablass. Das war der Beginn der Spaltung, die schließlich zur Geburt einer von Luther und anderen Reformatoren propagierten evangelischen Kirche führte.
Eine symbolische Mauer teilt die Ausstellungsbereiche der Luther-Interpretation der Nachkriegszeit in einen ostdeutschen und einen westdeutschen Teil. Die gerade einmal einen Meter hohe Wand ist aber durchlässig und präsentiert mehrere verbindende Exponate. So wird neben der DDR-Propaganda auch gezeigt, wie die Christen der DDR Kraft aus den Worten des Reformators geschöpft haben. So habe Luther auch Anteil an den Friedensdemonstrationen und dem Fall der Mauer, ist die Museumshistorikerin Stefanie Wittenborg überzeugt.

Ausstellung stimmt auf das Jubiläum ein

Das Ende der Ausstellung stimmt schließlich auf das 500. Reformationsjubiläum in diesem Jahr ein. Präsentiert werden aktuelle Werbeartikel wie die „Luthersocke“ mit der Aufschrift „Hier stehe ich…“ oder die Luther-Playmobil-Figur.
Am Ende der Ausstellung sind der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zu sehen –fröhlich einander zugewandt.
Trotz noch manch unterschiedlicher Lehrauffassung wollen die großen Kirchen das Reformationsjubiläum als Christusfest zusammen begehen.

Die Ausstellung „Luther. 1917 bis heute“ ist bis 12. November im Klostermuseum Dalheim zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.