Paris. Die Staatengemeinschaft nimmt einen zweiten Anlauf: Beim Klimagipfel in Paris wollen 195 Länder ein globales Abkommen gegen die Erderwärmung besiegeln – sechs Jahre nachdem sie damit in Kopenhagen spektakulär scheiterten. Mehr als 120 Staats- und Regierungschefs haben sich zum Auftakt der Konferenz am 30. November angekündigt: ein Signal an die Unterhändler, dass der politische Erfolgsdruck hoch ist. Überlegungen, den Gipfel nach der blutigen Terrorserie in der französischen Hauptstadt abzusagen, wies Frankreichs Außenminister Laurent Fabius entschieden zurück: "Non, non, non, non, non." Die Konferenz sei unaufschiebbar.
Der neue Kontrakt soll ab 2020 alle Staaten der Welt zum Klimaschutz verpflichten, anders als das Kyoto-Protokoll, das nur den Industriestaaten eine Minderung ihrer Treibhausgase vorschrieb. Lange haben sich unter anderem große Schwellenländer wie China, Treibhausgas-Produzent Nummer eins, gegen internationale Abmachungen gesträubt und auf ihre Souveränitätsrechte gepocht. Diese Verhandlungsblockade scheint teilweise gelöst – zum Preis, dass es keine verbindlichen Ziele zur Kohlendioxid-Minderung für die einzelnen Staaten geben soll.
Erde erwärmt sich zu schnell
Stattdessen haben im Vorlauf zur Konferenz rund 160 Länder freiwillige nationale Klima-Aktionspläne vorgelegt. Eine beispiellos hohe Zahl. Allein: Die versprochenen Maßnahmen reichen nach Berechnung des UN-Klimasekretariats nur aus, um die Erderwärmung auf 2,7 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Die kritische Marke liegt aber bei zwei Grad. Steigt die Temperatur stärker an, drohen laut Wissenschaftlern unumkehrbare Schäden für Natur und Mensch.
Anders als die nationalen Ziele könnte indes ein Revisionsmechanismus bindend sein: Demnach müssten die Staaten ihre nationalen Klima-Aktionspläne in regelmäßigen Abständen überprüfen und nachbessern. Die EU-Staaten schlagen dafür einen Fünf-Jahres-Rhythmus vor. Nötig sind auch Transparenzregeln, die das Klimaschutz-Engagement in den Ländern überprüfbar machen.
Etliche arme Staaten haben ihre Klimaschutz-Pläne an Geld-Zusagen geknüpft. Die Finanzen sind daher der zentrale verhandlungstechnische Hebel, um den Gipfel zum Erfolg zu führen. Aber wer legt das Geld auf den Tisch? Die klassischen Industriestaaten betonen, dass sie nicht mehr alleine die Mittel für den globalen Klimaschutz aufbringen wollen. "Unter den fünf Nationen mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen sind vier Länder, die keine herkömmlichen Industriestaaten sind, zum Beispiel Katar", begründet der deutsche Chef-Klimaunterhändler Karsten Sach die Haltung westlicher Länder.
Streit programmiert
Bei vergangenen Gipfeln hatten die Industriestaaten zugesichert, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar aus öffentlichen und privaten Quellen zur Verfügung zu stellen. Jetzt geht es unter anderem um die Frage, wie die Mittel bis 2030 weiter aufgestockt werden. "Die Staaten werden um eine Formulierung ringen, die klarstellt, dass der Geberkreis erweitert wird, die Industriestaaten aber dennoch ihren ursprünglichen Versprechen nachkommen sollen", erläutert Jan Kowalzig, Klima-Experte der Entwicklungsorganisation Oxfam.
Auch der Umgang mit Schäden, die der Klimawandel verursachen wird, sorgt bei den Verhandlungen für Zwist. Entwicklungsstaaten dringen darauf, dass der Vertrag ihnen Unterstützung für Katastrophenfälle zusagt – Industrieländer, allen voran die USA, befürchten jedoch, dass damit eine Tür für spätere Entschädigungsforderungen aufgestoßen wird.
Als besonders schwierige Verhandlungspartner gelten Öl-Staaten wie Saudi-Arabien. Naturgemäß missfällt es ihnen, dass die G-7-Staaten als Langfristziel eine vollständige Abkehr von Öl, Gas und Kohle im Laufe des Jahrhunderts anstreben. Am liebsten hätten sie Kompensationszahlungen für die fossilen Brennstoffe, die sie im Boden lassen. Eine Position, die kaum durchsetzbar ist – die Verhandlungen aber verkomplizieren könnte.
Noch ein Politikum
Am Ende des Gipfels könnte ein vertragliches Fundament stehen, auf das die Klimadiplomatie in den kommenden Jahren durch Nachverhandlungen aufbauen kann. Offen ist, wie das Dokument heißen wird: "Paris-Protokoll", "Abkommen von Paris"? Die Wahl der Bezeichnung ist ein Politikum, denn sie definiert den Grad der Rechtsverbindlichkeit.
Vor diesem Hintergrund ist wohl auch eine verwirrende Äußerung von US-Außenminister John Kerry zu sehen. Mitte November erklärte er in einem Interview, es werde "definitiv keinen rechtlich bindenden Vertrag" geben. Zwar hat Präsident Barack Obama die Worte seines Chefdiplomaten inzwischen relativiert, sie deuten aber auf ein innenpolitisches Problem hin: Ein internationales Abkommen im engen Sinne müsste für die USA der republikanisch dominierte Kongress ratifizieren – der ihn mit Sicherheit ablehnen würde. (epd)