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Der Tod “lässt sich nicht einfach so wegdrücken”

Für viele Menschen ist der Tod das schlimmste Ereignis des Lebens. Doch das Denken vom Ende her kann helfen, die richtigen Prioritäten zu setzen, ist Publizist und Schriftsteller Peter Seewald (München) überzeugt. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) erklärt er, warum es wichtig ist, verantwortungsvoll mit der eigenen Lebenszeit umzugehen und warum der Glaube an ein Leben nach dem Tod gelassener macht.

epd: Herr Seewald, in Ihrem neuen Buch „Die Entdeckung der Ewigkeit“ (Herder-Verlag Freiburg) schreiben Sie, dass „der Verlust des Jenseitsglaubens unsere Gesellschaft in eine existenzielle Leere gestürzt hat“. Was genau meinen Sie damit?

Peter Seewald: Wenn wir den Himmel verlieren, begrenzen wir uns auf die wenigen Jahrzehnte irdischen Lebens. Hier gilt es alles ausbeuten, mit aller Hetze, dem ganzen Egoismus, dem Streben nach pausenloser Unterhaltung, Befriedigung, Macht, Luxus. Nicht zufällig sehen wir eine explosive Zunahme von Lebensgier, Optimierungswahn, gleichzeitig Einsamkeit, psychische Krankheiten, Süchte aller Art. Zentral ist: Ohne Himmel gibt es keinen Gott. Und eine gottlose Welt, das muss Grund zu größter Sorge sein.

epd: Welche Gründe sprechen Ihrer Meinung dafür, dass mit dem Tod nicht alles aus ist?

Seewald: Schon die Höhlenbewohner waren davon überzeugt, dass das, was den Menschen ausmacht, niemals verloren gehen kann. Die antiken griechischen Philosophen bewiesen allein durch Logik, dass zumindest die Seele nicht sterben kann. Nach christlicher Überzeugung ist der Tod nicht das Ende, sondern ein Neubeginn auf einem höheren Level, in einer vollendeten Wirklichkeit. Wörtlich heißt es im Evangelium: „Ich bin gekommen, um das wahre Leben zu bringen – das Leben in seiner ganzen Fülle“ (Johannes 10,10).

epd: Warum ist es aus Ihrer Sicht hilfreich, das Leben vom Ende her zu denken?

Seewald: Jeder von uns wird sterben. Der Gedanke ist nicht immer beruhigend. Aber das größte Ereignis des Lebens lässt sich nicht einfach so wegdrücken. Durch das Denken vom Ende her kommt alles auf den Prüfstand: Unaufrichtigkeit. Falsche Freunde. Liebloses Lieben. Verlogene Verhältnisse. Einzig die Entscheidungen, mit denen man einmal gut sterben kann, wussten unsere Vorfahren, sind letztlich Entscheidungen, mit denen man auch gut leben kann. Das heißt nicht zuletzt: zu würdigen, was das Leben zu bieten hat und nicht zu leichtsinnig mit der eigenen Zeit umzugehen oder Unbedeutendes, Nebensächlichkeiten oder auch Fehler von anderen zu wichtig zu nehmen, vor allem auch sich selbst nicht.

epd: Was sagen Sie zum Trend von Longevity, also länger gesund leben zu wollen, und einer „Anti-Aging-Kultur“?

Seewald: Nichts einzuwenden, wenn jemand bestrebt ist, gesund möglichst alt zu werden. Das ist wunderbar. In Schieflagen geraten Anti-Aging-Propheten, wenn sie das Alter denunzieren, für wertlos halten. Dabei steht diese Lebensphase genau für jene Eigenschaften, die uns heute dringend fehlen: Reife, Gelassenheit, Weisheit. Altern und Tod gar ganz überwinden zu können, wie es Longevity-Technologen verkünden, steht für die alte Hybris des Menschen, das Paradies auf Erden zu schaffen. Jeder dieser Versuche führte ins Desaster.

epd: Was würde sich ändern, wenn man damit rechnet, dass es ein Leben nach dem Tod gibt?

Seewald: Im Grunde alles. Der Blick gen Himmel heißt, das Leben auszudehnen, Hoffnung zu haben über den Tag hinaus. Kein unbedeutendes Nichts im Zeitlauf der Evolution zu sein, sondern wertvoll – und wertvoll zu bleiben. Wir müssen wieder lernen, im Menschen beide Seiten zu sehen: seine zeitliche und seine ewige. Dann muss man den Tod nicht länger als Grenze sehen, sondern als eine Geburt in den Himmel hinein, wo wir unsere beste Zeit, ganz ohne Zeit, noch vor uns haben. (2778/02.11.2025)