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Der schönste Tag im Leben muss warten

Wochenlang bereiten sich Paare auf ihre Trauung vor. Alles soll perfekt sein, die Vorfreude ist riesig. Doch wegen der Corona-Krise können Hochzeiten zurzeit nicht stattfinden – zumindest nicht so, wie man sich den schönsten Tag im Leben vorstellt.

Frankfurt a.M./Mainz (epd). Die Deko liegt verpackt im Arbeitszimmer, der Gottesdienst war bis ins kleinste Detail geplant, die Liedblätter waren gedruckt. Alles war vorbereitet für ihren großen Tag. Nun ist klar: Das wird nichts. Robin Wagner und seine Frau Rebecca müssen ihre lang herbei gesehnte Hochzeit verschieben. Wegen Corona.

   Theoretisch sind Hochzeiten auch während der Pandemie möglich. Sowohl im Standesamt als inzwischen auch wieder in der Kirche. Seit Mai sind öffentliche Gottesdienste in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und anderen Landeskirchen wieder erlaubt – mit entsprechenden Hygieneregeln. Die gelten gleichermaßen für Taufen, Konfirmationen und Trauungen.

   Ohne Mund-Nasen-Schutz zum Beispiel geht aktuell auch in Gotteshäusern nichts. Ebenso müssen Besucher einen Abstand von mindestens 1,50 Meter einhalten. Gemeinsames Singen ist verboten. Die hessen-nassauische Kirchenleitung rät Heiratswilligen derzeit, mit der kirchlichen Trauung abzuwarten, bis wieder festliche Gottesdienste möglich sind.

   Robin und seine Frau hoffen nun auf einen neuen Termin im September. «Wir wollen keine Abstriche machen», erzählt der 26-jährige Bräutigam. Bis zuletzt hatte das Paar noch gehofft. Aber unter den gegebenen Zuständen kommt eine Feier für beide nicht infrage. «Unsere Eltern getrennt voneinander in verschiedenen Reihen, das wollten wir nicht», sagt Robin. Die Gäste hätten alle mit Verständnis auf die kurzfristige Absage reagiert. Das junge Paar hatte sich mit der Entscheidung nicht leichtgetan. «Enttäuscht waren wir schon, aber die Vorfreude verschiebt sich jetzt einfach», sagt der Frankfurter.

   Daphne Flieger und ihr Mann waren nicht ganz so optimistisch. Die beiden 29-Jährigen aus Mainz haben ihre kirchliche Trauung auf kommendes Jahr verschoben. «Wir haben ja auch eine Verantwortung gegenüber den Gästen», sagt Daphne. Standesamtlich haben sich sowohl Robin und Rebecca Wagner als auch Daphne und Tobias Flieger das Ja-Wort gegeben – wenn auch auf ungewohnte Art und Weise.

   Wegen der Kontaktbeschränkungen gilt etwa im Standesamt Frankfurt eine Beschränkung der Hochzeitsgesellschaft auf zehn Personen inklusive Brautpaar. Auch in Darmstadt und Kassel sind maximal sechs bis acht Gäste plus Braut und Bräutigam erlaubt. In Wiesbaden und Gießen dürfen Fotografen, Trauzeugen und Gäste bis auf weiteres nicht dabei sein.

   Der überwiegende Teil der Paare entschied sich trotz der Beschränkungen für eine Trauung, wie die Leiterin des Frankfurter Standesamtes, Andrea Hart, sagt. Andere hätten einen späteren Termin vereinbart oder die Trauung zunächst ganz abgesagt. Oftmals, weil die aktuellen Bedingungen den Wunschvorstellungen des Paares nicht entsprachen, manchmal auch, weil sich einer der Partner noch im Ausland aufhält und aufgrund der Reisebeschränkungen keine Einreiseerlaubnis erhalten hat.

   Mit diesem Problem kämpft auch der freie Fotograf Florian Heurich. Der Frankfurter macht sein Geschäft in erster Linie mit Hochzeiten, an denen auch internationale Gäste teilnehmen. Die meisten seiner Kunden hätten für diesen Sommer abgesagt, sagt er. Viele der Gäste sollten aus dem Ausland einfliegen – wegen der aktuellen Einreise- und Quarantänevorschriften so gut wie unmöglich.

   Normalerweise sei er während der Sommermonate jedes Wochenende ausgebucht, sagt Heurich. Nun rechne er damit, dass bis zu 90 Prozent der Einnahmen wegbrechen. Wenn er Glück habe, könne er vielleicht noch ein bis zwei Hochzeiten fotografieren. Inzwischen bietet der Fotograf «Corona-Spezial-Preise» an, damit ihn überhaupt noch jemand bucht. Bis zu seinen nächsten Hochzeits-Aufträgen hält er sich etwa mit Business-Shootings über Wasser. Die vom Staat versprochene finanzielle Hilfe für Solo-Selbstständige habe er bereits beantragt, doch das Geld reiche vorne und hinten nicht, sagt Heurich.

   Um die Zeit bis zur kirchlichen Trauung nächstes Jahr zu überbrücken, hat Daphne Flieger kurzerhand eine Art WhatsApp-Selbsthilfe-Gruppe mit anderen Bräuten gegründet. Hier muntern sich die Frauen gegenseitig auf. «Jetzt kann die Vorfreude nochmal beginnen», sagt die Journalistin. Schlimmer sei die
Ungewissheit gewesen. Ein bisschen Angst habe sie jetzt nur noch, ob ihr das Hochzeitskleid bis Juni 2021 noch gefällt.